Premiere in Köln

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Nach vielen Jahren in Hamburg fand das Final 4 des DHB Pokals am 15. und 16.04.2023 erstmals in der Lanxess Arena in Köln statt. Vier Mannschaften hatten sich in mehr oder weniger harten Spielen durchgesetzt und machten sich auf den Weg nach Köln: Der SC Magdeburg, der TBV Lemgo-Lippe, die SG Flensburg-Handewitt und die Rhein-Neckar Löwen.

Sucht ihr hier nach einer minutiösen Schilderung aller Spiele und des ganzen Drumherums? Pech gehabt; das wird es nicht geben. Ich will versuchen, euch mitzunehmen auf meine ganz individuelle Reise nach Köln. Soviel sei vorweg genommen: Es war ein Höllenritt mit himmlischem Ausgang. Doch der Reihe nach.

Die Löwen sind dabei!

Nach dem überzeugenden 31:25 bei der TSV Hannover-Burgdorf war natürlich schon auf der Busfahrt zurück das alles überstrahlende Thema: Wo gibt es eine bezahlbare Unterkunft? Nach einigen vergeblichen Versuchen, ein bezahlbares Hotel zu finden, hatten wir – meine bessere Hälfte und ich – bei der Suche nach einem Hotel dann doch noch Erfolg. In Köln-Dellbrück gab es eines, das erschwinglich war. Frühstück inklusive, Parkhaus für eine erträgliche Summe, ca. 150m bis zur S-Bahn, und dann nur vier Stationen bis Köln Messe/Deutz. Passt schon mal.

Tickets? Ja, Tickets!

Die Ticket-Bestellung lief reibungslos. Schnell reagiert, nachdem wir uns um Tickets bewerben konnten, nach der Zusage direkt bezahlt, und nicht allzu viel später hatten wir die Tickets. Unterrang, Reihe 6. Erstklassig, und wirklich ganz dicht dran. Dass es dann eine zweite Version der Tickets gab, die zur Nutzung des ÖPNV auf An- und Abfahrt von der Arena berechtigt, hätten wir aber fast verpeilt. Die Mail ging bei mir unter, aber wozu hat man Freunde (Danke, Frank!). Vorbereitungen abgeschlossen, das Wochenende kann kommen!

Anreise mit Zwischenstopp

Wir hatten uns entschlossen, erst am Samstag Vormittag nach Köln zu fahren, da es am Freitag alles wohl etwas hektisch geworden wäre. Frühes Aufstehen war zwar notwendig, aber nach einem ordentlichen Frühstück machten wir uns dann auf den Weg. Mit entspannten 120 km/h über die nicht sonderlich stark frequentierte Autobahn ging es zunächst nach Montabaur. Das dortige Outlet an der Autobahn war unser Ziel. Kurz vor Öffnung waren wir vor Ort, und als die Geschäfte schließlich aufmachten, deckten wir uns zunächst mit einigen Leckereien ein, und für mich gab es dann noch zwei neue Paar Schuhe. Dass wir uns dann zusätzlich noch mit drei neuen Pfannen auf die letzte Etappe Richtung Köln machten, damit hatten wir allerdings auch nicht gerechnet.

Hallo, Köln!

Ein bisschen stockender Verkehr auf den letzten Kilometern, sonst keine besonderen Vorkommnisse auf dem Weg zum Hotel. Das hatten wir dann schnell gefunden, aber wo parken wir, bevor wir ins Parkhaus können? Da war zunächst mal ein wenig Kreisen in der Umgebung angesagt, aber auch das stellte letztlich kein ernsthaftes Problem dar. Unerwarteterweise war unser Zimmer dann doch schon bezugsfertig. Also kurz hoch, einiges ausgepackt, und dann ging es zur Lanxess Arena.

Essen fassen!

So ganz ohne etwas zu essen wollten wir nicht in die Halle. Also erstmal hin an die Arena und schauen, was es da so gibt. Das Angebot war überschaubar und darf, wegen mir, beim nächsten Mal gerne etwas mehr sein. Nun gut, wenn wir direkt an der Arena nichts finden, dann eben vorne an der Ecke bei der Pommesbude. Wir mussten zwar etwas warten, aber die Pommes waren lecker und haben für das Warten entschädigt. So, und nun aber wirklich in die Halle!

Oder auch nicht…

Anders als vom EHF Champions League Final 4 in Köln gewohnt gab es im Vorfeld der Halle keine Einlasskontrolle. Jeder, der wollte, konnte bis an die Halle kommen. Kann man so machen, aber zumindest am Samstag war das nicht so toll. Schließlich bildeten sich beim Eingang in die Halle lange, seeeeehr lange Schlangen. Das war unnötig, meiner Meinung nach, und muss besser werden. Dazu später mehr.

Drin!

Ja gut … Ticketkontrolle war schnell erledigt, das Bändchen für Auslass und Wiedereinlass gab es auch schnell, und die Taschenkontrolle … nun ja, die war besonders schnell, denn mich hat niemand abgetastet. Das war dann doch schon recht überraschend. Der kleine Rucksack meiner Frau wurde zwar inspiziert, aber so richtig intensiv nun auch nicht. Wenn mich nicht alles täuscht, wurden die Handball-Fans diesem Vertrauensvorschuss aber auch gerecht.

Die Lanxess Arena in Köln - Was für eine gigantische Halle!

Bekannt und unbekannt

Ist ja nicht so, dass ich das erste Mal beim Handball in der Lanxess Arena war. Neun Champions League Final 4-Turniere, einmal bei der Handball-WM 2019, da kennt mensch die Halle ja schon. Von daher war mir vieles bekannt. Laufwege, wo ist welcher Block, wo gibt es eine Garderobe oder auch eine nicht zu stark frequentierte Toilette, alles nicht neu. Und doch gab es an diesem Wochenende etwas wirklich Neues für mich.

Nach Hamburg zum DHB Pokal Final 4 habe ich es leider nie geschafft. Ungünstiger Termin wegen der Arbeit, oder wegen anderer Verpflichtungen, irgendwas war immer. Doch ein Final 4 in Köln, noch dazu eines, das am Samstag das erste Spiel erst um 16:10 Uhr anpfeift und bei dem das Finale am Sonntag schon gegen 17:15 Uhr vorbei ist, das geht immer. Von daher kann ich gut mit der Entscheidung leben, das DHB Pokal Final 4 nach Köln zu verlegen. Ungewohnt an diesem Final 4 war für mich halt die Tatsache, dass eben nur deutsche Teams am Start waren. Ist schon irgendwie eine andere Atmosphäre. Nicht schlechter, nicht besser. Nur anders.

Erwartungen? Keine.

Es mag seltsam klingen, aber meine Erwartungen, was das Abschneiden der Löwen bei diesem Final 4 in Köln angeht, waren sehr gering. Die Niederlagenserie in der HBL, mehr noch die dabei gezeigten Leistungen, und die bisherige Pokal-Halbfinalgeschichte gegen Flensburg hatten meine Erwartungen im Rahmen gehalten. Wobei ich schon nach dem Erreichen des Final 4 gesagt hatte, dass für mich das Saisonziel bereits übererfüllt wurde. Nach der grottigen Saison 2021/22 war alles, was besser ist als zuvor ein Erfolg. Die Löwen hatten ja bereits 37 Punkte eingefahren, und damit sieben mehr als in der gesamten letzten Saison. Zudem sah das schon danach aus, das da was zusammenwächst. Mehr war für mich in dieser Saison auch gar nicht nötig.

OK, ich habe mich nicht gegen die guten Leistungen gewehrt, sondern diese dankbar verfolgt. Das Erreichen des Premieren-Final 4 in Köln war für mich daher schon die Kirsche auf der Torte, unabhängig vom Ergebnis. Ordentliche Leistungen zeigen, nicht von Flensburg oder dem Gegner am Sonntag zerfleddert werden, dann hätte ich das als ein schönes Wochenende mit gutem Handball in meiner Erinnerung abgespeichert. Dass es dann aber ganz anders kommen sollte … hach ja… Aber auch hier der Reihe nach.

Das Halbfinale gegen Flensburg

Die Halle füllt sich. Das erste Halbfinalekann bald beginnen. Und der Silberlöwe ist schon voll dabei.

Normalerweise kenne ich Handball in der Lanxess Arena nur von ganz oben. Unsere Plätze beim EHF Champions League Final 4 sind immer im vierten Rang, sprich: In einem Block mit einer 7 an erster Stelle. Dieses Mal aber hatten wir uns im Löwen-Fan-Block Tickets im Unterrang gegönnt. Und, nun ja … was für ein Unterschied! Absolut überragend, dieses Final 4 in Reihe 6 zu erleben, nur wenige Plätze neben den Trommlern der Baden Lions, in Mitten eines grellgelben Blocks von Gleichgesinnten. Herrlich!

Kurz vor Beginn des ersten Halbfinalspiels Rhein-Neckar Löwen gegen SG Flensburg-Handewitt.

Ach so, das Spiel. Das gab es ja auch noch, und was soll ich sagen? Un! Fass! Bar! Zwar lagen die Löwen am Anfang kurz zurück, dann jedoch übernahmen sie die Kontrolle über das Spiel. Flensburg hatte keine Mittel gegen eine v.a. in der ersten Halbzeit extrem bewegliche und aggressive Abwehr. Dass Jannik „Der kann keine Abwehr“ Kohlbacher über weite Strecken im Innenblock neben Olle „Ich mache jeden neben mir besser“ Forsell Schefvert absolut überzeugte, war ein wichtiges Mosaiksteinchen in diesem Spiel.

Knorr und Späth

Juri Knorr lieferte dazu im Angriff eine Masterclass ab. Er variierte immer wieder das Tempo, war torgefährlich, hatte immer auch den Blick für den Nebenmann. Phantastisch! Doch eines sollte man bei allem berechtigten Lob für Knorr und Kohlbacher nicht vergessen: Dieser nie gefährdete 38:31-Erfolg – 38:31! Ich kann das immer noch nicht glauben! – war das Ergebnis – 38:31, ohne Worte – einer Teamleistung, wie sie in den letzten Spielen vor dem Final 4 in Köln nicht zu sehen war. Keiner fiel wirklich ab. OK, die Torhüter hatten nicht ihren besten Tag, was allerdings für die Torhüter beider Mannschaften galt. Außer Mr. 100%, David Späth. Kam für einen Siebenmeter, den er prompt auch halten konnte. Zu Jungspund Späth später mehr. Erst noch was zu Trainer Sebastian Hinze. Er hatte die Mannschaft taktisch perfekt eingestellt, und alle setzten den Plan mit viel Leidenschaft um. Dagegen war an dem Tag kein Kraut gewachsen.

Das andere Halbfinale

Im zweiten Halbfinale standen sich dann der SC Magdeburg und der TBV Lemgo-Lippe gegenüber. Am „Nicht-Tag der Torhüter“ – auch im zweiten Halbfinale waren die Leistungen der Männer zwischen den Pfosten überschaubar – entschieden Gisli Kristjansson und Kay Smits die Partie zugunsten der Magdeburger. Kristjansson zuzuschauen ist für alle Handballfans ein Genuss. Sein erster und zweiter Schritt sind so schnell, so explosiv – Wahnsinn! Zwar endete die Partie nur mit einem 33:31 für den SCM, aber das knappe Ergebnis täuscht. Magdeburg war deutlich überlegen und gewann souverän gegen einen sich tapfer wehrenden TBV.

Gutes Essen zum Tagesabschluss? Ja, gerne!

Titelseite der Speisekarten-Zeitung des Restaurants "XII Apostel" in Köln

Es war viel los in der Altstadt von Köln. Fitness-Messe, Heimspiel 1. FC Köln, irgendwas mit Superstar, und dann noch Handball. Dennoch hatten wir Glück, schnell einen Platz in einem guten Restaurant zu bekommen, das ich noch von letztem Jahr, vom Abend nach den Halbfinals der Champions League, kannte. Dort saßen am Nebentisch vier Fans der SG, die ziemlich geknickt waren. Unser Essen kam schneller als erwartet, war hervorragend, und so konnten wir uns gesättigt auf den Rückweg zum Hotel machen. Natürlich erst nach einem kurzen Plausch mit den SG-Fans. Wir alle konnten miteinander lachen, und dass sie uns am nächsten Tag die Daumen drücken wollten, war wirklich toll. Ob so was beim Fußball auch möglich wäre? Ist aber letztlich egal, denn wir waren ja nicht beim Fußball.

Gute Nacht, Köln

Es war eine ruhige Nacht in ordentlichen Betten. Das Frühstück war reichhaltig und gut, und natürlich waren auch in unserem Hotel noch andere Handballfans. Die beiden neben uns am großen Holztisch mitten im Frühstücksraum hatten Plätze zwischen den Fanblöcken der Löwen und des SCM. Ob die am Sonntag Abends noch was hören konnten? Nun denn: Nach dem Frühstück Reisetasche packen, auschecken, und mit dem Auto zur Lanxess Arena fahren stand auf dem Programm. Die Fahrt war kein Problem, und auch ein Parkhaus war schnell gefunden. Dass uns beide nach dem Aussteigen aus dem Auto ein Lachflash der ausgewachsenen Art überfiel, war unerwartet. Der Grund dafür … bleibt ein Geheimnis. Aber ich bin mir sicher, dass man uns am anderen Ende des Parkhauses noch hat lachen hören.

Die Sache mit dem Parkticket

Dass bereits vor Veranstaltungsbeginn ein Ticket mit dem Arena-Tarif von 6,50 € gelöst werden kann, ist eine gute Sache. Kennen wir ja auch von der SAP Arena nicht anders. Ist allerdings schon eine nicht ganz einfache Aufgabe, wenn man das vorher noch nie gemacht hat. Zumindest fiel es dem jungen Magdeburg-Fan vor uns etwas schwer, den Automaten richtig zu bedienen. Wir hingegen … nun, es war ein lustiger Moment, und kurz danach hatten wir dann auch unser Ticket bezahlt, und mehr müsst ihr dazu nicht wissen.

Der frühe Vogel in Köln

Die Schlange vor dem Eingang zur Lanxess-Arena amSonntag. Gar nicht mal so lang.

Nein, es ging am Sonntag nicht um Würmer, sondern um ein sehr früh (12:45 Uhr!) angesetztes Spiel um Platz 3. Vor Jahren abgeschafft, nun wieder eingeführt. Es ging also zwischen Flensburg und Lemgo um die Goldene (oder vielmehr Bronzene) Ananas in Form eines Spiels weniger im Pokal 2023/24. Wir waren dieses Mal ziemlich früh an der Arena, stellten uns gleich in die Schlange, und waren nach Hallenöffnung äußerst schnell drin. Na ja, mit ohne (wesentliche) Kontrolle geht es halt flott. Manche waren von der frühen Hallenöffnung überrascht, schafften es aber noch, rechtzeitig zu Spielbeginn in der Halle zu sein.

Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. Flensburg trat am Sonntag konzentrierter und im Abschluss konsequenter auf, hatte mit Kevin Møller einen Torwart, der tatsächlich Bälle hielt, und gewann verdient mit 28:23. Ein ordentlicher Auftakt in den Tag, von dem zu diesem Zeitpunkt niemand wusste, was für ein Drama sich noch entwickeln würde.

Ein Spiel für die Geschichtsbücher

Ich will gar nicht erst den Versuch unternehmen, auf jede Wendung dieses irren Endspiels einzugehen. Garantiert würde ich mehrere wichtige Szenen vergessen oder durcheinander bringen. Es war ein emotionales Auf und Ab; ein Spiel, das unsagbar viele Nerven (und Stimmen) gekostet hat, das bei Trommlern zu Blasen an den Händen und bei mir fast schon zu Hornhaut vom vielen Klatschen geführt hat. Löwen vorne, Magdeburg kommt ran, Appelgren überwirft nach dem 27:27 die Mitspieler am Anspielkreis, sofortiges Zeitspiel, Lagergren verwirft, Auszeit Wiegert, Siebenmeter Magdeburg, David Späth komm rein und HÄÄÄÄLLLLLLLT! Verlängerung! Ja bist du deppert!

Kurz vor Anpfiff der Verlängerungim Finale des DHB-Pokals. Das Spiel steuert auf seinen dramatischen Höhepunkt zu.

So, wie ich eben die letzten rund 50 Sekunden der regulären Spielzeit beschrieben habe, ging es eigentlich fast über das gesamte Spiel. Ausruhen? Nachlassen beim Anfeuern? Keine Chance. Die Löwen und die Jungs vom SC Magdeburg boten ein Spiel für die Geschichtsbücher. Nach dem ich mir das Spiel nun zweimal in der ARD Mediathek angeschaut habe, steht mein Urteil fest: Das war ein ganz großes Spiel zweier gleichstarker Mannschaften auf sehr, sehr hohem Niveau. Nicht nur, was die Spannung angeht, sondern auch und vor allem wie die Angriffe inszeniert wurden, wie die Abwehrreihen agierten, wie beide Trainer taktisch und personell reagierten – absolute Weltklasse!

Die Explosion auf Twitter und WhatsApp

Kurz nach 17 Uhr, das Spiel bog auf die Zielgerade ein, brummten unsere Smartphones fast durchgängig. Was ist denn nun los? Als wir nach schauten, hatten wir insgesamt gut zwei Dutzend Nachrichten auf Twitter und auf WhatsApp, mit fast genau so vielen Screenshots, weil der Kameramann der ARD uns mehrere Sekunden lang groß im Bild zeigte. Meine Güte, was für eine Aufregung das auslöste! Wir mussten einfach nur lachen, denn die Nachrichten waren köstlich!

Zurück zu Lück, ähhh zum Spiel

In einer Verlängerung können zehn Minuten unendlich lang werden, selbst wenn es dauernd Hin und Her geht. David Späth bleibt nach der Heldentat zum Ende der regulären Spielzeit einfach im Kasten, hält in der ersten Halbzeit der Verlängerung mehrere Würfe und hilft den Löwen zu einem 3:0-Lauf in diesen fünf Minuten. Wahnsinn! Eine Hand ist eigentlich schon am Pott (der leider gar kein Pott ist). Und dann dreht Magdeburg nochmal auf, trifft, und Uns Uwääh … trifft nicht. Meine Güte! Einen, nur einen der drei freien Würfe (zwei Siebenmeter, einer von Außen) rein machen, und das Ding ist durch.

So kommt Magdeburg durch eine taktische Meisterleistung von Trainer Bennett Wiegert – Christian O’Sullivan das eigentlich in Handballkreisen längst eingemottete Leibchen zu geben, den Abwurf machen zulassen und ihn dann mitten rein an den Kreis der Löwen zu schicken, war ganz großes Kino! – noch zu einer Torchance. O’Sullivan traf selber nicht, holte aber einen Siebenmeter raus, den Kay Smits nun, anders als zum Ende der regulären Spielzeit, verwandeln konnte. 31:31. Abpfiff. Siebenmeterwerfen.

Meine Nerven!

Das setzte dem Ganzen noch den Gipfel auf. Spannender, dramatischer, nervenaufreibender geht nicht. Es wird – natürlich! – auf das Tor geworfen, hinter dem in den Kurven die Fans des SCM und wir platziert waren. Als erster Spieler tritt Uwe Gensheimer an. Huiuiui … nach den vergebenen Chancen gleich als Erster? Was kommt jetzt? Dreher? Gegendreher? Kopfleger? Nix von allem. Eine schnörkellose Peitsche, ohne Schnickschnack davor, ganz glatt und knallhart geworfen, mitten aufs Tor, knapp unter die Latte. Alter Verwalter! 1:0 Löwen. Der Blick von Gensheimer in Richtung Jensen hätte einen Heizpilz einfrieren lassen. Hornke gegen Späth – sicher verwandelt, 1:1, alles auf Anfang.

Die nächsten vier

Olle Forsell Schefvert schnappt sich die Kugel, verwandelt sicher. 2:1 Löwen. Gut, wenn man immer vorlegen kann. Daniel Pettersson ist der nächste für den SCM, tritt gegen Späth an und trifft. Ganz sicher verwandelt, 2:2. Juri Knorr geht zum Wurf. Trickwürfe waren bisher noch nicht sein Ding beim Siebenmeter, und auch dieses Mal trifft er mit einem vehementen Wurf. Portner, der für Jensen kam, war dabei ohne Chance. 3:2 für die Löwen. Kay Smits tritt an, wirft den Ball durch die Beine von Späth. Eine Schwachstelle? So hatte er den Siebenmeter am Ende der Verlängerung verwandelt, so hatte auch Hornke getroffen. Hmmm …

Die Entscheidung in Köln

Niclas Kirkeløkke ist der nächste Schütze für die Löwen. Und er trifft gegen Jensen, der ins Tor zurückgekehrt war! Bei den Löwen nun ein Torwartwqechsel. Joel Birlehm kommt rein, muss es mit einem der zur Zeit wohl besten Spieler der Welt aufnehmen, mit Gisli Kristjansson. Und Birlehm hat ihn! WAAAAHNSINNNNNNN! Der nächste Siebenmeter kann das Spiel, kann diesen Finalwahnsinn entscheiden. Es kommt Albin Lagergren. Der Lagergren, der uns Löwen-Fans in den letzten Jahren manches Mal zur Verzweiflung getrieben hat? Wirklich der Lagergren, der nächste Saison für den Finalgegner aus Magdeburg spielen wird? Der Lagergren, der … was war denn das für ein Wurf? Wie hat er denn den… der ist drin. Drin? DRIN! TOR! TOOOOR! TOOOOOOOOR! JAAAAAAAA! POKALSIIIIIIIIEG!

Jubel, Trubel, Heiserkeit

Beim Versuch, zu beschreiben, was nach diesem verwandelten Siebenmeter folgte, versagen mir meine Finger fast ihre Gefolgschaft. Wildfremde (und auch bekannte) Menschen liegen sich in den Armen, jubeln, schreien, singen, klatschen sich die Hände endgültig wund, tanzen, hüpfen, lassen kleine Tränchen und dicke Tränen kullern – es ist der Wahnsinn! Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit bis zur Siegerehrung vergangen ist. Oder wie lange und wie oft wir nach der Siegerehrung die Spieler, Trainer und Betreuer gefeiert haben. Ich war zu sehr damit beschäftigt, das alles aufzusaugen. Momente für die Ewigkeit. Ein Titel, den vorher nur die aller wenigsten für möglich gehalten hatten. Nach den Nackenschlägen der letzten Jahre, besonders nach dem Desaster der Vorsaison, nun der Pokalsieg. Ohne Worte!

Pause

Ich musste nach dem letzten Absatz beim Schreiben tatsächlich eine Pause machen. Alles, was an dem Tag passierte, kam eben nochmal mit voller Wucht hoch. Die ganzen Emotionen, die ganzen Eindrücke, sie waren wieder da, genauso präsent wie am Sonntag. Und jetzt sitze ich hier an meinem Schreibtisch und schüttel ungläubig den Kopf. Ist das alles wirklich passiert? Manchmal kann ich es einfach nicht glauben.

Ein Wort zum SC Magdeburg

Mir ist klar, dass nichts die Magdeburger Spieler oder Betreuer und auch nicht die Fans wirklich trösten kann. Wer nach so einem Auf und Ab, nach so einer Achterbahnfahrt, durch einen einzigen verworfenen Siebenmeter verliert, der kann nicht getröstet werden. Dennoch: Der SCM hat einen großen, großen Anteil daran, dass hier ein Highlight zustande kam, über das viele noch lange reden, und von dem viele noch lange schwärmen werden. Der SCM hat eine bärenstarke Leistung abgeliefert und sich als fairer Verlierer gezeigt. Die Löwen waren an dem Tag halt dieses eine Quäntchen glücklicher.

Ach ja, wir müssen ja noch von Köln nach Hause

Im Parkhaus war nicht mehr sehr viel los, als wir unser Auto holten. Nach etwas Verkehr beim Einfädeln Richtung Autobahn ging es zügig voran. Zwar wegen einer Baustelle und eines Unfalls auf einer anderen Route als bei der Hinfahrt, aber bis auf zwei heftige Regengüsse ohne jegliche Störung. Ohne Pause, aber immer noch aufgekratzt wegen allem, was da passiert war, rollten wir fast durchgängig mit 120 km/h in die heraufziehende Nacht und waren kurz vor 22:00 Uhr zuhause.

Gerade noch rechtzeitig, um einen (sehr) kurzen Bericht zum Pokalsieg bei Sport im Dritten sehen zu können. Und danach? Wir mussten uns nicht gegenseitig davon überzeugen, dass jetzt ein guter Moment sei, sich das Spiel nochmal anzuschauen. Jetzt sagt nicht, dass wir die einzigen waren, die das gemacht haben. Dass es traditionell dazu Pizza gab, ist ja wohl klar, oder?

Das Leben geht nach Köln weiter

Wie gerne wären wir am Montag nach Mannheim gefahren, um mit der Mannschaft zu feiern. Aber das „normale“ Leben nach Köln hatte uns wieder, sprich die Arbeit. Ich bin mir aber sicher, dass am 03.05.2023, anlässlich des restlos ausverkauften Heimspiels gegen den THW Kiel, nochmal kräftig gefeiert wird. Es ist letztlich fast egal, was für ein Platz am Ende der HBL-Saison stehen wird. Solange die Löwen bis dahin ordentliche Spiele abliefern, ist alles in bester Ordnung. Druck gibt es nun keinen mehr, würde ich meinen. Schließlich ist die Qualifikation für die European League durch den Pokalsieg bereits gesichert. Ein hübscher Nebeneffekt dieses Wochenendes in Köln, weshalb dieser Beitrag mit einem fröhlich-heiseren „EUROPAPOKAAAAAAAAAL!“ endet.

Wir sehen uns in der Halle!