Die Saison 2021/22 ist Geschichte, und gestern hatte ich mich mit den Veränderungen rund um das Team – Trainer, Co-Trainer etc. – beschäftigt. Heute soll es zunächst nochmal kurz um die Spieler gehen, die nicht mehr da sein werden, und dann um die, die neu hinzu kommen.
Die Abgänge
Wie gestern bereits geschrieben wurden beim letzten Heimspiel am Mittwoch, den 08.06.2022, einige Spieler verabschiedet. Nikolas Katsigiannis erhielt keinen neuen Vertrag und wechselt zum HBL-Absteiger TuS N.-Lübbecke. Die Abgänge von Mait Patrail (ASV Hamm-Westfalen; schön, dass Mait in der HBL bleibt) und Ilija Abutovic (Chartres, FRA) waren erwartbar. Auch Linksaußen Lion Zacharias wird nächste Saison nicht mehr im Trikot der Löwen auflaufen. Er wird für ein Jahr an die Eulen aus Ludwigshafen verliehen, um in der 2. Liga Spielpraxis zu sammeln.
Ach ja, es gab ja noch einen Abgang. Ein gewisser André Schmid verlässt die große HBL-Bühne, um in seiner Schweizer Heimat beim HC Kriens-Luzern noch ein, zwei Jahre auf dem Feld den Ton anzugeben. Er wird vermisst werden.
Die Neuzugänge
Es sind relativ wenige Neuzugänge, die in die Mannschaft integriert werden müssen. Neben Eigengewächs Elias Scholtes (Rückraum Rechts), der bereits diese Saison immer mal wieder mit der Profimannschaft trainiert hat und vornehmlich in der U23 in der dritten Liga Spielpraxis sammeln soll, sind es „nur“ noch Mats Gruppe (Tor; ebenfalls schon mit HBL-Erfahrung und v.a. für die U23 vorgesehen), Olle Forsell Schefvert, ein bundesligaerfahrener Schwede aus Wetzlar, und Halil Jaganjac, ein sehr, sehr vielversprechender kroatischer Jungstar, der neu in der HBL ist. Aber der Reihe nach.
Mats Gruppe, Tor
Grupe konnte in der abgelaufenen Saison 2021/22 bereits HBL-Luft schnuppern und zeigte dabei eine sehr ordentliche Leistung. Der 2003 geborene Torhüter wird in der U23 Spielpraxis bekommen, um an die HBL herangeführt zu werden. Einen Platz zwischen den Pfosten zu erobern dürfte aber wirklich schwer werden. Mit Mikael Appelgren und Joel Birlehm haben die Löwen ein erstklassiges Duo am Start, zu dem sich nach seiner Reha auch David Späth gesellen wird. Kann Späth an die vor seiner Verletzung gezeigten Leistungen anknüpfen, hat der neue Cheftrainer Sebastian Hinze die Qual der Wahl.
Elias Scholtes, Rückraum Rechts
Scholtes ist wie Gruppe Jahrgang 2003 und hat bei den Rhein-Neckar zunächst einmal einen Vertrag für ein Jahr abgeschlossen. Er wird ein wichtiger Spieler für die U23 der Löwen in der 3. Liga sein. Dort dürfte er auch einiges an Einsatzzeiten bekommen, die in der HBL angesichts der Konkurrenz Niklas Kirkeløkke und Albin Lagergren wohl nur schwer zu erkämpfen sein werden. Aber wer weiß? Vielleicht ist Scholtes in einem Jahr so weit, für einen der beiden zu übernehmen?
Olle Forsell Schefvert, Rückraum Mitte/Links
Schefvert (noch 28) kommt vom Ligakonkurrenten HSG Wetzlar, für die er in den letzten fünf Jahren 147 Spiele bestritt und dabei neben 368 Toren auch noch 271 Assists verzeichnen konnte. Für mich eine sehr gute Verpflichtung der Löwen. Der Schwede kann auf Rückraum Mitte und Links spielen, strahlt sehr häufig Torgefahr aus, weiß aber auch seine Nebenleute gut in Szene zu setzen. Ein großer Vorteil: Er kann in der Abwehr im Innenblock spielen, und das auf einem sehr ordentlichen Niveau. Schefvert ist darüber hinaus kein Spieler, der exorbitant viele Zeitstrafen kassiert. 70 in 147 Spielen, das lässt sich gut an. Darüber hinaus kennt er die Bundesliga und die Sprache. Für mich ein ganz starker Einkauf der Löwen, von dem ich hoffe, dass er sich schnell in sein neues Team und in die neue Umgebung eingewöhnen kann. Seine Flexibilität könnte ihn zu einem wertvollen Mitglied der Mannschaft machen.
Halil Jaganjac, Rückraum Links
Mag sein, dass das jetzt sehr “nerdig” rüber kommt, aber jedes Jahr schaue ich mir die Kader der Mannschaften durch, die in der EHF Champions League antreten. Dabei suche ich insbesondere nach Spielern unter 23, und über diese versuche ich dann etwas mehr heraus zu bekommen, oder auch mal Spiele seines Vereins zu sehen. Auf diesem Weg tauchte der Name Jaganjac in der Saison 2017/18 erstmals in meinem Sichtfeld auf, als er im Trikot von RK Metalurg Skopje in 10 Spielen auf immerhin 52 Tore kam – und das als 19jähriger. Er hatte davor bereits ein Jahr in Paris gespielt, bei PSG, kam allerdings nur in der 2. Mannschaft zum Einsatz.
Nach rund 16 Monaten in Skopje wechselte Jaganjac im November 2018 in seine kroatische Heimat, zu RK Nexe Našice. In drei Spielzeiten im EHF-Cup und der European League traf er über 160 Mal ins gegnerische Tor. Er bringt mit seinen zwei Metern Körpergröße ideale Maße mit, und auf die Idee, ihn als Spargeltarzan zu bezeichnen, kommt auch nur jemand, der ihn nie gesehen hat. Wie Olle Forsell Schefvert kann Jaganjac auch im Abwehrzentrum decken, was von großem Vorteil sein dürfte.
Der Wunschspieler, den ich schon abgeschrieben hatte
Auf eine Verpflichtung von Jaganjac hatte ich tatsächlich gehofft, diese Hoffnung aber begraben, als er Anfang Oktober 2021 seinen Wechsel nach Kielce bekannt gab. Jaganjac unterschrieb in Polen einen Vertrag über vier Jahre (2022-2026). Nun ist es aber so, dass Kielce insbesondere dieses Jahr anscheinend Spieler nach dem Motto „Wir haben einen Gelenkbus und besetzen jeden Platz mit einem Spieler“ einkauft. Mit drölfzig Spielern kann man allerdings nicht antreten, und Spielpraxis bekommt daher auch nicht jeder. Deshalb hat sich Kielce entschlossen, Jaganjac an die Löwen zu verleihen, und das gleich über drei Jahre.
Ein Leihgeschäft über drei Jahre
Drei Jahre! Meine Güte, damit hatte ich nicht gerechnet. Meine Freude über Jaganjac als Neuzugang ist dadurch allerdings auch etwas getrübt. Natürlich kenne ich keine Details, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Kielce auch vor Ablauf der drei Jahre Jaganjac nach Polen holen kann. Was, wenn er in der kommenden Saison direkt voll einschlägt? Ist er dann im Sommer 2023 schon wieder weg? Das wäre wirklich schade.
Spielt Jaganjac so stark auf, wie seine bisherige Entwicklung es verspricht, und darf er sich die ganzen drei Jahre bei den Löwen Stück um Stück weiter entwickeln, dann werden wir noch viel Freude an ihm haben.
Noch Fragen?
Ja, durchaus. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, ob noch jemand kommt oder geht. Vielmehr macht sich ja jeder Fan eines Vereins so seine Gedanken, wie die Mannschaft in der kommenden Saison 2022/23 auf dem Feld agieren könnte. Wer mit wem, wer auf welcher Position, … Das sind doch Fragen, die jeden Fan interessieren, oder? ODER? Wobei …
… als am 08.06.2022 die Verabschiedung von Trainer und Spielern anstand, musste ich von schräg hinter mir – aus dem Mund von Dauerkartenbesitzer*innen! – zweimal (bei Vranjes und bei Patrail) tatsächlich die Frage „Geht der auch?“ vernehmen … Ja, so habe ich auch geschaut.
Aber zurück zu den wichtigen Fragen
Wie könnte sie jetzt denn aufgestellt sein, die neue Löwenmannschaft? Ich kann mir dabei unterschiedliche Varianten vorstellen. Gehen wir diese mal der Reihe nach durch, wobei ich von der Abwehrformation (von links nach rechts) ausgehe. Dabei lasse ich die Namen der Außenspieler bewusst weg. Ob z.B. auf Linksaußen Uwe Gensheimer steht oder Benjamin Helander macht keinen großen Unterschied. Beide spielen vorne ebenfalls auf Linksaußen. Dasselbe gilt für Rechtsaußen, wo ich allerdings Patrick Groetzki häufiger als bisher auch in der Abwehr erwarte. Ein Andy Schmid, der hinten auf Außen versteckt werden musste, ist ja nicht mehr dabei. Interessant wird lediglich, wer Groetzki Verschnaufpausen verschafft. Vielleicht Veit Schlafmann aus der eigenen Jugend? Für mich in Sachen Kader die einzig noch offene Frage. Als denn: Hier kommen meine drei Vorschläge, wie die Löwen auflaufen könnten.
Formation 1: Linksaußen – Knorr – Jaganjac – Gislason – Kirkeløkke – Rechtsaußen
Formation 1 bedeutet übrigens nicht, dass das für mich die bestmögliche Besetzung wäre. Statt Kirkeløkke wäre auch Lagergren möglich. Mit einer solchen Besetzung kannst du aber ohne Wechsel in den Angriff gehen. Insbesondere die Neuerung, dass es einen Anwurfkreis gibt, aus dem heraus der Anwurf auch in der Bewegung ausgeführt werden darf, wird das Spiel nochmal eine Ecke schneller machen. Damit verstärkt sich die Notwendigkeit, möglichst keinen Abwehr-Angriff-Wechsel vorzunehmen.
Über 60 Minuten kann das aber ein und dieselbe Besetzung nicht durchhalten. Es wäre daher auch Kohlbacher statt Gislason denkbar, dann aber mit Knorr und Kohlbacher auf Halb und Kirkeløkke im Zentrum. Oder Schefvert übernimmt die Rolle von Jaganjac.
Formation 2: Linksaußen – Kohlbacher – Jaganjac – Schefvert – Lagergren – Rechtsaußen
Auch hier wäre kein Abwehr-Angriff-Wechsel notwendig. Schefvert übernimmt die Rolle im zentralen Rückraum, Kohlbacher geht an den Kreis, nachdem er auf der Halbposition gedeckt hat. Mit Kirkeløkke statt Lagergren wäre hier sogar die Option gegeben, Schefvert bei Bedarf im Angriff raus zu nehmen und Knorr zu bringen. In der Abwehr würde dann Kirkeløkke neben Jaganjac im Zentrum spielen und Knorr eine Halbposition übernehmen, wenn kein Rückwechsel möglich sein sollte..
Für beide Formationen gilt, dass ich mir Philipp Ahouansou auch statt Jaganjac vorstellen kann. Klar, er muss dazu seine Abwehrfähigkeiten in der Mitte verbessern, aber als Option für die Zukunft wäre das für mich durchaus denkbar.
Ebenfalls kann ich mir in beiden Formationen auch Kristjan Horzen vorstellen, sowohl für Gislason im Deckungszentrum als auch für Kohlbacher auf der Halbposition. Ich hoffe sehr, dass Horzen seine Fähigkeiten unter Hinze mehr einbringen darf und kann als noch in der abgelaufenen Saison.
Formation 3: Linksaußen – Kohlbacher – Jaganjac – Gislason – Kirkeløkke – Rechtsaußen
Zwei Kreisläufer in der Abwehrformation? Ja, warum auch nicht? Hier könnten die Löwen etwas praktizieren, was der THW Kiel oft anwendet. Kommt die Mannschaft in Ballbesitz, geht es mit allen Spielern und hohem Tempo nach vorne, wobei der Kreis doppelt besetzt wird. Der Torwart kommt schnell raus, ein weiterer Feldspieler (z.B. Knorr?) kommt rein, und das Team spielt kurzzeitig mit 7-gegen-6, ehe einer der Kreisläufer raus geht. Könnte ein gutes taktisches Mittel sein, um den Gegner schneller und stärker unter Druck zu setzen, ohne einen Abwehr-Angriff-Wechsel direkt vornehmen zu müssen.
Wo ist der Platz für Lukas Nilsson?
Tja, das ist eine gute Frage. Bevor er sich zuletzt verletzte, spielte Nilsson auch häufiger auf der Halbposition in der Abwehr. Seien wir ehrlich: Auch wenn er nicht wie ein kompletter Neuling herum lief, ist das nicht seine Position. Die Nische für Nilsson, wo er für die Mannschaft insgesamt sehr wertvoll werden kann, ist eine Situation, in der Wurfpower und Dynamik aus dem Rückraum gefragt sind und Jaganjac oder Ahouansou eine Pause brauchen (oder wenn diese nicht so richtig zünden).
Nicht falsch verstehen: Ich möchte hier keineswegs Nilsson aus der Mannschaft schreiben! Dazu ist er dann doch zu gut, und er bringt im Angriff Qualitäten ein, die andere in der Form nicht haben. Ich tue mir nur schwer damit, für ihn einen Platz in einer Formation findet, die ohne Abwehr-Angriff-Wechsel auskommt. Spielt der Gegner allerdings eher nur so eine Art mittelschnelle Mitte, sodass ein solcher Wechsel möglich ist, wäre Nilsson definitiv eine starke Option!
Was ich mir erhoffe
Es sind in erster Linie drei Dinge, die ich mir in der neuen Saison erhoffe. Einmal geht es um den Angriff, einmal um die Abwehr, und dann noch um das große Ganze.
Neues in der Abwehr
Ich hoffe inständig auf eine beweglichere Abwehr! Und das sowohl in der Seitwärtsbewegung, als auch in der Bewegung nach vorne gegen die Rückraumschützen des Gegners. Hier war mir in der letzten Saison zu häufig wenig Elan drin, bzw. die Abwehr agierte oft unabgestimmt, was das Heraustreten angeht. Eine flexible, bewegliche 6-0 als Grundformation, mit einer variablen und aggressiven 5-1 als zweiter Formation, das wäre schon schön. Das braucht seine Zeit, aber die Löwen haben keine Spiele auf europäischer Ebene. Bleibt hoffentlich genug Zeit für das Training.
Neues im Angriff
Einläufer von Außen! Bitte! Das passierte bei den Löwen in der abgelaufenen Saison zu selten. Zumindest war das mein Eindruck, und ich bin damit nicht alleine. Darüber hinaus wäre es aus meiner Sicht gut, insgesamt mehr mit Kreuzungen zu arbeiten, und das Ganze mit höherem Tempo, um die Rückraumschützen in gute Wurfpositionen zu bringen. Wenn ich mir etwas ganz besonders wünschen darf: Mehr Druck, mehr Tempo im Überzahlspiel!
Das große Ganze
Ich bin Realist genug, um zu wissen, dass die Löwen Zeit brauchen, bis sich auf dem Feld ein funktionierendes System etabliert und bis Mannschaft und Trainer wirklich zusammen finden. Da wird es Abstimmungsprobleme geben, Fehler, weniger gute Aktionen, ja vielleicht sogar längere weniger gute Phasen. Wichtig wäre aber, dass von Anfang an zu sehen ist, dass die Spieler dafür brennen, bei den Löwen zu spielen. Ich bin mir sehr sicher, dass den Spielern Fehler viel eher verziehen werden, wenn zu sehen ist, dass der Einsatz da ist, und der Wille, alles zu geben. Wenn dann noch zu erkennen ist, dass sich alles in die richtige Richtung bewegt, dann wird die Mannschaft die Fans richtig hinter sich haben.
Ein kurzes Fazit zum Schluss
Alles wird anders, aber wie, weiß keiner. Außer vielleicht Sebastian Hinze, der sich bestimmt schon seine Gedanken gemacht haben dürfte und auch weiterhin machen wird. Für uns bleibt daher nur, abzuwarten, was die neue Saison bringen wird. Ich werde jedenfalls genau hinschauen, ob Hinze so ähnliche Gedanken hat wie ich.
Es wird in jeglicher Hinsicht ein spannendes Jahr 1 n.A.