Endlich! Die Rhein-Neckar Löwen sind tatsächlich noch in der Lage, ein Spiel zu gewinnen, das beinahe verloren schien. So ein Sieg, der macht Laune. Genauso wie die Sache mit dem Trikot. Und wenn sich jemand fragt, wer denn der neue König ist – und von was – muss den Text bis zum Ende lesen.
Ein Sieg des Willens
Ging gut los bei den Löwen im Spiel gegen die MT Melsungen. Nein, damit meine ich jetzt nicht das 2:0 in der 4. Minute – obwohl, doch, das auch – sondern die kurze Zeremonie für den Ex-Löwen Alexander Petersson. Der harte Hund Lexi hatte feuchte Augen, als er von Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann einen Geschenkkorb erhielt und sein Trikot unter dem Hallenbach aufgehängt wurde. Lassen wir mal außen vor, dass das wohl nur auf massiven Druck der Löwen-Fans zustande kam, sondern freue wir uns, dass Lexi diese Ehre zuteil wurde.
Das Trikot
Alexander Petersson kam 2012 von den Füchsen Berlin zu den Löwen. Für mich ging damals ein Traum in Erfüllung. Petersson war für mich schon damals genau der Typ Handballspieler, den ich richtig, richtig gut fand – und immer noch gut finde. Für mich ist Lexi ein Spieler, der von Anfang an höchst professionell arbeitete und lebte. Einer, der hart gegen den Gegner agiert, der aber auch hart zu sich selbst ist. Einer, der nie aufgibt, sich nie hängen lässt, andere mitreißt und immer voran geht.
Während der Saison 2020/21 verließ Petersson die Löwen, um sich der SG Flensburg-Handewitt anzuschließen. Während seiner Zeit bei den Löwen hatte er zuletzt immer wieder mit Verletzungen zu tun, und auch in Flensburg war er nicht durchgängig verletzungsfrei. Und auch in Melsungen, wo er seit Beginn dieser Saison spielt, ist er nicht die Nummer 1 auf seiner Position. Vielleicht fordert das Handballerleben jetzt auch bei Petersson seinen Tribut. Nun ja, mit 41 Jahren …
Das Trikot (m)eines Lieblingsspielers
Das Trikot mit seiner Nummer 32 war dann auch das allererste Löwen-Trikot, das ich mir im Fanshop gekauft habe. Jetzt hängt sein Banner mit eben dieser Nummer 32 unter dem Dach der SAP Arena. Für mich fühlt sich das absolut richtig an. Mit dem Namen Alexander Petersson sind die erfolgreichsten Jahre der Rhein-Neckar Löwen untrennbar verbunden. Wer ihn nach der ersten Meisterschaft in Lübbecke und später am Abend in Mannheim erlebt hat, der wird sich daran erinnern, dass Lexi die Meisterschale gar nicht mehr loslassen wollte. Und wie glücklich er an dem Abend war.
Nachdem er seit seinem Weggang kein Spiel in der SAP-Arena mit Publikum hatte, war das heute tatsächlich der perfekte Zeitpunkt, um sein Trikot unter das Hallendach zu hängen. Und ja, der harte Hund Alexander Petersson wirkte ziemlich angefasst. Dass er nach dem Spiel und dem Interview bei Sky noch eine Ehrenrunde drehte, war der perfekte Abschluss des Tages.
Mein Trikot mit seiner Nummer werde ich in Ehren halten. Versprochen.
Dann war da noch ein Spiel
Richtig, ein Handballspiel gab es auch noch. Und das hatte es in sicher, und zwar nicht zu knapp! Die Löwen mussten ohne Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki und Lukas Nilsson antreten. Da auch Benjamin Helander nach wie vor fehlt, durften Lion Zacharias und David Móré auf Linksaußen ran. Alleinunterhalter auf Rechtsaußen war Niklas Michalski, der wie David Móré noch in der A-Jugend der Löwen spielt. Jugend forscht auf Außen, so lautete demnach das Motto der Löwen.
Andy Schmid und Juri Knorr waren von Anfang an gemeinsam auf der Platte, und es ging gut los. 2:0 in der 4. Minute, und dabei schon zwei, drei gute Chancen ausgelassen. Wenn sich das nur nicht rächt! Tat es aber, zumindest zunächst. Melsungen kam langsam ins Spiel, wobei v.a. Julius Kühn zielsicher war. Nach dem 4:3 durch Knorr (7.) trafen die Gäste dreimal in Serie. Bis zum 8:9 (18.) war das nicht schlecht von den Löwen, aber noch lange nicht wirklich gut. Ein Dreierpack von Jannik Kohlbacher und ein Treffer von Knorr sorgten innerhalb von vier Minuten für den ersten Umschwung (12:9; 23.).
Noch nichts gewonnen
Zwar gelang es den Löwen, beim 14:11 immer noch mit drei Toren vorne zu liegen, aber bis zur Halbzeit hatte die MT den Rückstand egalisiert. Nach der Pause trafen erst die Löwen dreimal hintereinander ins Gästetor, doch nach einem Siebenmeter von Reichmann und einem Treffer von Kohlbacher waren nur noch die Nordhessen am Zug. Sieben torlose Minuten der Löwen, aber sechs Treffer der Gäste. Och nee, denkst du dir da als Fan der Löwen. Nicht schon wieder. Ja, die MT hat eine gute Mannschaft, aber trotzdem. Diese Saison hat uns Löwen-Fans bisher schon genug Frust bereitet. Und jetzt nochmal so ein Spiel? Puuuh …
Einer der Jungen, Niklas Michalski, traf dann zum 19:21, ehe Kastening und Petersson auf 19:23 stellten. Ja, da waren noch 14 Minuten zu spielen, aber als dieses leidgeprüfter Löwen-Fan war das schon schwer zu verdauen. Nicht nochmal, bitte nicht! Das hatte die Mannschaft wirklich nicht verdient, die heute enormen Kampfgeist zeigte und die Zahl der technischen Fehler deutlich reduzieren konnte.
Der Umschwung
Was dann folgte, war ein Umschwung, den ich als Löwen-Fan diese Saison so noch nicht erlebt habe. Lagergren, Kirkeløkke, Schmid und dann dreimal Kirkeløkke sorgten dafür, dass die Löwen mit einem 25:23 in die letzten sechs Minuten gehen konnten. Ja, gut, Kastening traf direkt nochmal für die Gäste, aber Kohlbacher und Schmid stellten die Weichen umgehend auf Sieg.
Na ja, so richtig doch nicht, denn Jónsson und Simic – ja, der Torwart der Melsunger – sorgten nochmal für Spannung. Nervenflattern auf der Tribüne, aber auch lautstarke Anfeuerung – und kein Nervenflattern auf der Platte. Kein Nervenflattern, bei den Löwen, in dieser verkorksten Saison, nach so vielen ernüchternden Spielen? Und dann reibst du dir verwundert die Augen, denn Lion Zacharias und nochmal Niclas Kirkeløkke – mit einem Kempa! – sorgten für den verdienten Endstand von 29:26 für die Löwen.
Und da war dann noch …
… der Apfel, der endlich wieder reif war. Mikkael Appelgren feierte nach ca. zwei Jahren verletzungsbedingter Pause sein Comeback. Er kam zwar nur für einen Siebenmeter, der er zudem nicht parieren konnte, aber alleine die Tatsache, dass Appelgren wieder dabei sein kann, ist eine gute Sache für die Löwen.
Was fehlt noch?
Richtig, es fehlt noch der neue König, den ich am Anfang erwähnt habe. Darf ich vorstellen? Niclas Kirkeløkke I., neuer (Löwen-)König des leeren gegnerischen Tores! Als die Melsunger in den letzten zehn Minuten zeitweise das 7-gegen-6 auspackten, war es Kirkeløkke, der nach starker Abwehrleistung des ganzen Teams und tollen Paraden von Joel Birlehm gleich dreimal mit Würfen über das ganze Feld ins Gästetor traf. Das hatte ich mit dieser Souveränität und Selbstverständlichkeit vorher nur von Hendrick Pekeler gesehen. Es war die Krönung eines erneut starken Spiels von Kirkeløkke. Gerne mehr davon!