Noch dauert es eine Weile, bis die Saison 2019/20 der LiquiMoly HBL endet. Bei den Rhein-Neckar Löwen steht jedoch seit einigen Tagen fest, auf wessen Abschied wir Fans uns einstellen müssen. Genauer: Auf welche Abschiede, denn nach aktuellem Stand sind es zwei. Mads Mensah Larsen wird den Verein gen Flensburg-Handewitt verlassen, und Abwehrchef Gedeón Guardiola wird beim TBV Lemgo unter kommen, wo er wieder mit seinem Zwillingsbruder Isaias zusammenspielen wird.
Abschied von Mads
Dass Mads Mensah Larsen die Löwen verlassen muss wundert mich nicht sonderlich. Schon vor über drei Monaten hatte ich vermutet, dass die Zeichen eher auf Abschied stehen. Mads hat in Mannheim nie konstant die Erwartungen erfüllen können. Gesegnet mit jeder Menge Talent, mit einem mehr als nur ordentlichen Wurf und mit meiner Meinung nach gar nicht so wenig Spielverständnis waren seine Leistungen leider zu oft zu schwankend.
Nicht nur während eines Spiels wechselten Licht und Schatten bei ihm, sondern auch von Spiel zu Spiel. Die Saison 2017/18 war stark von ihm. Darüber hinaus war für mich Mads in der Hinrunde der Saison 2018/19 der beständigste und beste Rückraumspieler der Löwen. Ja, ich fand ihn in der Zeit tatsächlich besser als Andy Schmid, und dazu stehe ich auch! Doch dann kam die WM 2019, und Mads kehrte als Weltmeister zurück zu den Löwen.
Weltmeisterliche Leistungen? Nicht wirklich!
Was Mads danach spielte war phasenweise schon abenteuerlich. Schlecht vorbereitete Würfe, haarsträubende Abspiele, lustlos wirkende Abwehrleistungen und mehr sorgten nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Fans im Stehblock um mich herum für wachsenden Frust. Dennoch spielte Mads fast immer, und das nicht zu wenig. Geschuldet war das wohl nicht zuletzt der Tatsache, dass mit Nikolaj Jacobsen sein dänischer Landsmann als Trainer agierte. Man wurde das Gefühl nicht los, dass Mads der Lieblingsschüler von Jacobsen war und Freiheiten hatte, die andere nicht bekamen.
Abschied von Jacobsen = Abschied von Mads?
Das war zumindest meine Vermutung, denn ohne den väterlichen Freund auf der Trainerposition dürfte sich etwas ändern. Mads brauchte diese Saison wieder recht lange, um besser in Schwung zu kommen. In den letzten Wochen besserte sich seine Leistung, doch um einen Abschied von den Löwen zu verhindern war es wohl zu spät. Und zu wenig, denn immer noch fehlt bei Mads einiges. Ob es in Flensburg besser läuft? Ich schließe das nicht aus, gehe sogar davon aus. Näher dran an der Heimat, neues Umfeld, neue Mitspieler, das kann schon neue Energien frei setzen. Ob Mads in das Spielsystem der Süddänen passt müssen deren Fans beurteilen.
Kein “Olé!” mehr bei Löwenspielen
Sollten die Löwen nicht doch noch einen Spanier holen gibt es ab der kommenden Saison keinen Spieler mehr, bei dessen Vorstellung die Fans nach dem Nachnamen lautstark “Olé!” rufen werden. Auch bei Gedeón Guardiola, der seit 2012 bei den Löwen ist und damit noch zwei Jahre länger als Mads Mensah Larsen, steht der Abschied bevor. Eine schwierige Entscheidung für die Löwen, da bin ich mir sicher, aber rational betrachtet eine verständliche Entscheidung.
Warum? Nun, da gibt es in meinen Augen zwei wesentliche Punkte. Zunächst einmal muss ein Team irgendwann die Verjüngung des Kaders einleiten bzw. fortsetzen. Bevor jetzt jemand mit Uwe Gensheimer um die Ecke kommt: Der ist sieben Jahre jünger als sein Vorgänger Gudjon Valur Sigurdsson, und hat als “Einheimischer” eine ganz andere Stellung. Marketingtechnisch war seine Verpflichtung ein Meilenstein für die Löwen, und in Sachen Leistung ist Uwääääh immer noch top!
Abschied auf Wunsch des Trainers?
Ob es ein ausdrücklicher Wunsch des neuen Trainers Kristján Andrésson war, mit Gede nicht zu verlängern, oder ob es schlicht und ergreifend aus seiner Sicht eine andere, bessere Alternative gibt, das kann ich nicht sagen. Bekannt ist allerdings, dass Andrésson gerne nur einen Abwehr-Angriff-Wechsel haben möchte. Da sind zwei Abwehrspezialisten – Guardiola und Ilija Abutovic – einer zu viel. Und da mit Abutovic vorzeitig verlängert wurde, sicher nicht gegen den Wunsch des Trainers, war der Abschied von Guardiola vorhersehbar.
Leistungsmäßig war Guardiola über eine ganze Weile nicht so gut wie zu seinen besten Zeiten. Das war sicherlich auch seiner schweren Schulterverletzung zuzuschreiben, doch auch davor und danach wirkte Guardiola auf mich nicht mehr so spritzig und beweglich wie früher. Dass Gede einen großen Anteil an den Erfolgen der Löwen hatte ist unbestritten! Werden die Löwen sein Trikot unter die Hallendecke hängen? Es würde mich nicht überraschen, und es wäre verdient!
Aber … aber … aber …
… Guardiola war zuletzt doch wieder deutlich besser! Ja, das ist richtig. Im heute schon legendären Heimspiel gegen den THW Kiel, aber auch in anderen Spielen bewirkte die Einwechslung von Gede eine Stabilisierung der Abwehr. Er brachte Emotionen rein, sorgte für eine Belebung der Abwehr und für mehr Aggressivität, ohne sinnlose Zeitstrafen zu kassieren. Tore warf er auch einige. Und nun? Die Pläne über den Haufen werfen und doch mit Guardiola verlängern?
Aus Fansicht wäre ein aufgeschobener Abschied sicher in Ordnung, vielleicht sogar wünschenswert. Doch ein Verein kann und darf nicht (immer) aus Fansicht handeln. Klar, die Meinung der Fans ist wichtig, und die Fans hinter sich zu wissen ist für einen Verein immer wichtig. Doch ein Verein muss idealerweise rationale, vorausschauende Entscheidungen treffen. Was spricht jetzt also rational betrachtet für einen Abschied, obwohl Gede sehr beliebt ist und zuletzt eben auch wieder aufsteigende Form zeigte?
Der Abschied ist unvermeidlich
Zum einen spielt das Alter von Guardiola eine Rolle. Wie oben schon erwähnt ist eine Verjüngung des Kaders dringend geboten. Jaja, ich weiß: Leistung zählt! Und doch kannst und darfst du nicht mit jedem Spieler so lange verlängern, bis der einen Rollator braucht. Die Kaderplanung muss vorausschauender sein! Gede ist mittlerweile 35, also sicher nicht zu alt, doch eine Perspektive für die nächsten vier, fünf, sechs Jahre ist er nicht mehr.
Dass ein reiner Abwehrspezialist ausreicht, wenn du wie Kristján Andrésson nur mit einem Abwehr-Angriff-Wechsel spielen wisst, hatte ich oben bereits erwähnt. Gede ist sicher noch einer der richtig guten Abwehrspieler der HBL, doch eines ist vielleicht nicht uninteressant. Nichts gegen den TBV Lemgo – ich mag den Verein! – aber es ist eben “nur” der TBV Lemgo, zu dem Gede geht. Manchmal erkennt man an den neuen Vereinen eines Spielers, wie der Spieler von anderen eingeschätzt wird. Bei besseren HBL-Teams ist kein Platz für ihn frei, und es macht auch keiner für ihn einen Platz frei. Ob es der ausdrückliche Wunsch von Gede war, wieder mit seinem Bruder zusammen zu spielen, weiß ich nicht. Es ist natürlich durchaus möglich, dass Gede diesen Schritt sehr bewusst geht. Der TBV kann sich jedenfalls auf einen sehr guten Spieler freuen, der dem Team sicher weiterhelfen wird!
Abschied Nr. 1 und 2 sind klar. Aber wer kommt?
Das dürfte spannend werden. In dem Artikel, den ich zu den möglichen Kaderveränderungen geschrieben hatte (ist weiter oben verlinkt), hatte ich davon geschrieben, dass ich mir einen Rückraumspieler vorstellen könnte, der in der Abwehr auf Halb und im Innenblock decken kann. Nun war auf morgenweb.de, der Internetpräsenz des “Mannheimer Morgen”, zu lesen, dass Kreisläufer Max Darj vom Bergischen HC und Lukas Nilsson vom THW mögliche Kandidaten für die Löwen wären.
Darj, ein durchaus torgefährlicher Kreisläufer, der beim BHC auch überzeugend im Innenblock agieren kann, wäre wirklich ein spannender Neuzugang. Die Löwen hätten dann allerdings drei Kreisläufer, die allesamt ihre Offensivqualitäten haben und in der Abwehr spielen könne. OK, Jannik Kohlbacher spielt “nur” auf Halb, aber Nielsen und Darj im Innenblock. Das würde einige (neue) Möglichkeiten in der ersten und zweiten Welle eröffnen. Problem: Darj hat noch Vertrag bis 2021.
Nilsson? Ernsthaft?
OK, Nilsson ist ein junger, wurfgewaltiger, vielversprechender Spieler, mit teilweise unglaublichen Würfen. Und ich hätte nicht grundsätzlich etwas gegen ihn einzuwenden, auch wenn sein Spiel manchmal etwas vogelwild anmutet. Aber da gibt es zwei “Probleme” mit Nilsson und Darj. Zunächst einmal sind beide Spieler Schweden. Gut, das alleine ist jetzt kein Problem, zumal die Löwen mit schwedischen Spielern wirklich sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Zum Trainer, der zwar Isländer ist, aber praktisch nur in Schweden lebte und arbeitete, passen sie auch. Also: Wo ist das Problem?
Es kann hilfreich sein, Spieler zusammen zu haben, die sich gut verstehen, die auch in der Nationalmannschaft zusammen spielen und davon profitieren. Ich hoffe jedoch, dass die Löwen nicht dazu dienen sollen, dass die Schweden sich besser aufeinander abstimmen könne, um in der Nationalmannschaft erfolgreicher zu sein. Nein, ich sage damit nicht, dass ich denke, dass Andrésson das möchte und dass das der wichtigste Beweggrund für diese möglichen Verpflichtungen ist! Aber leise Zweifel, dass es keine anderen Lösungen – a.k.a. andere Spieler – geben kann, habe ich schon. Man bedenke, dass ja auch Albert Lagergren zur neuen Saison aus Magdeburg kommt. Noch ein Schwede!
Vorzeitiger Abschied vom THW?
Wie Darj hat auch Nilsson noch Vertrag bis 2021, weshalb die Löwen wohl ebenfalls eine Ablösesumme zahlen müssten. Angeblich ist er mit seiner Rolle beim THW nicht mehr so richtig zufrieden, und wenn nächstes Jahr noch Sander Sagosen beim THW spielt dürfte das die Rolle von Nilsson nicht größer machen. Diese Konstellation könnte ihm und dem THW einen vorzeitigen Abschied erleichtern.
Oder ist “Der Neue” im Rückraum vielleicht ein deutscher Nationalspieler? Fabian Böhm, derzeit noch in Diensten der Recken des TSV Hannover-Burgdorf, wäre nächsten Sommer ablösefrei zu haben. Eine solide Option, aber sicher nicht aus dem obersten Regal, wie man so sagt. Ob er aber in den Süden will? Auf handballecke.de war davon zu lesen, dass Böhm gerne näher an die Heimat möchte, und die liegt in Potsdam. Auf dem Weg von Hannover nach Potsdam liegt Mannheim nun absolut nicht.
Abschied mit Abschiedsschmerzen
Wer auch immer in der Saison 2020/21 neu für die Löwen auflaufen wird: Vorher wird es Tränen geben, wenn Mads und Gede beim letzten Heimspiel verabschiedet werden. Beide Namen sind untrennbar mit den Erfolgen der Löwen in den letzten Jahren verbunden. Beide haben ihren Teil dazu beigetragen, und das wird bei den Löwen sicher niemand vergessen. Aber wie das eben so ist: Irgendwann gibt es immer einen Abschied. Und wenn der Abschied weh tut, dann war die Zeit davor wohl nicht so ganz schlecht.