Mittlerweile ist die Saison 2018/19 vorbei. Einen zweigeteilten Blick in den Rückspiegel habe ich bereits geworfen, die Löwenspieler haben von mir ihr Abschlusszeugnis bekommen, und auch das allerletzte Länderspiel der Saison ist mittlerweile gespielt. Zeit, sich um die neue Saison zu kümmern. Zeit, sich um die Neuen bei den Rhein-Neckar Löwen zu kümmern.
Erstmal die Abgänge
Bevor es um die Neuen geht noch ein kurzer Blick auf die Spieler, die die Löwen verlassen. Auf Linksaußen verlässt Guðjón Valur Sigurðsson zum zweiten Mal in seiner Karriere die Löwen und möchte irgendwann mal mit dickem Bauch auf der Tribüne zu Gast sein. Wird wohl nicht passieren, wie ich ihn kenne. Zunächst setzt er seine Karriere aber bei PSG in Paris fort, sozusagen im Tausch für Gensheimer.
Noch ein Außen verlässt die Löwen, nämlich Bogdan Radivojevic. Nach überschaubarem Erfolg in den zwei Jahren bei den Löwen gab es zu seinem Abgang (zu MOL-PICK Szeged) auch keine echte Alternative. Als dritter Spieler verlässt auch Vladan Lipovina die Löwen. In seiner einzigen Saison in Mannheim konnte er zu selten überzeugen. Er bleibt in der HBL und wechselt zum Aufsteiger HBW Balingen-Weilstetten. Hier brauch(t)en die Löwen dringend ein Upgrade.
Und dann geht natürlich auch der Trainer. Nikolaj Jacobsen, dessen Name immer mit einer sehr erfolgreichen Phase der Löwen verbunden sein wird, trainiert ab sofort nur noch die dänische Nationalmannschaft. Eine gute Entscheidung für ihn, ob für die Löwen bleibt abzuwarten. Nun aber beginnt die Zeit für die Neuen.
Linksaußen: Uwe Gensheimer
Ja, so richtig “neu” ist Gensheimer nun nicht. Nein, die abgedroschene Plattitüde von der Heimkehr des verlorenen Sohns werde ich hier nicht … Was wollte ich schreiben? Ach ja … Sportlich dürfte dieser Wechsel ein Plus bringen. Nicht, dass Sigurðsson schwach war, aber Gensheimer in Normalform ist sicher ein Upgrade. Und was “Uns Uwe” in Sachen Marketingmöglichkeiten oder Zuschauerinteresse wert ist dürfte klar sein. Hier stehen die Löwen besser da als in der abgelaufenen Saison.
Ein Fragezeichen gibt es für mich aber doch. Wie fügt sich Gensheimer nach den drei Jahren in Paris in das Mannschaftsgefüge ein? In seiner Abwesenheit entwickelte sich meiner Meinung nach ein sehr gutes Mannschaftsklima, mit Andy Schmid als Leader. Was wird sich daran ändern? Ändert es sich zum Besseren? Ich hoffe es. Was ich ebenfalls hoffe ist, dass Jerry Tollbring trotz des Dreijahresvertrags für Gensheimer mehr Spielanteile als bisher bekommt. Ob gerade letzteres aber realistisch ist bleibt abzuwarten.
Rechtsaußen: Tim Ganz
Noch ein Spieler, der auf eine Liste mit dem Titel “Die Neuen” eigentlich nicht so recht passt. Tim Ganz kommt von der 2. Mannschaft der Löwen aus der 3. Liga, hat ab und an bereits bei den Profis mit reingeschnuppert und kennt demzufolge die Mannschaft. Hinter Patrick Groetzki soll er behutsam an das Bundesliganiveau herangeführt werden. Mehr dürfte es wohl auch nicht werden, denn sollte Groetzki längerfristig ausfallen würden die Löwen wohl eher nachkaufen. Ganz erhält auch lediglich einen Einjahresvertrag. Haben die Löwen für 2020 bereits einen Spieler im Auge? Oder soll Petersson dann Backup auf Rechtsaußen sein, bis 2021 der “richtige” Nachfolger aufschlägt? Fragen über Fragen! Eine echte Verschlechterung auf der Position sehe ich nicht, auch wenn natürlich die Erfahrung fehlt, die Bogdan Radivojevic mitbrachte.
Rückraum rechts: Niclas Kirkeløkke
Auf den freue ich mich ja total! Kirkeløkke spielte zuletzt bei GOG in Dänemark, überzeugte dabei durch hammermäßige Würfe aus der Distanz und war auch im rechten Rückraum der dänischen Nationalmannschaft gesetzt. Kurz vor der WM setzte ihn dann ein Kreuzbandriss außer Gefecht. Meine größte Befürchtung war, dass er erst wieder zu Saisonbeginn mit dem richtigen Mannschaftstraining wieder beginnen kann. Anscheinend war die Verletzung dann aber doch nicht ganz so schlimm, denn er hat zuletzt in der Finalserie der dänischen Liga wieder gespielt. Das sieht gut aus!
Mit Kirkeløkke bekommen die Löwen einen Spieler, der ähnlich wie sein Vorgänger Vladan Lipovina – oder auf der anderen Halbposition Steffen Fäth – aus der Distanz treffen kann. Allerdings denke ich, dass Kirkeløkke mehr Angriffsoptionen mitbringt als sein Vorgänger und dass er in der Abwehr stärker ist. Gerade letzteres könnte dazu führen, dass Jannik Kohlbacher nicht mehr ganz so oft Abwehr und Angriff spielen muss.
Rückraum links: Philipp Ahouansou
Der Arbeitstitel “Die Neuen” sieht vor, dass ich auch einen Spieler aufführe, der in der kommenden Saison aller Voraussicht nach nur im Notfall im Kader stehen wird. Ich freue mich dennoch sehr, dass die Löwen Philipp Ahouansou, eines ihrer größten Talente, mit einem Fünfjahresvertrag ausstatten. Es wäre wirklich zu wünschen, dass ein junger Spieler aus der eigenen A-Jugend den Sprung in den Profikader schafft. Er soll zunächst weiter in der 2. Mannschaft spielen, immer wieder aber mit den Profis trainieren. Wie bereits geschrieben wird Ahousansou in der kommenden Saison wohl noch nicht oft im Kader der Löwen stehen. Perspektivisch sieht das jedoch anders aus. Von daher möchte man den Verantwortlichen bei den Löwen ein gutes Händchen und ausreichend Geduld wünschen, um Ahouansou wirklich zielgerichtet aufzubauen. Vielleicht ebnet er dann auch anderen Eigengewächsen den Weg zu den Profis.
Trainer: Kristján Andrésson
Kommen wir zu dem Mann, der vielleicht der wichtigste Neuzugang sein könnte. Der Isländer Kristján Andrésson, seines Zeichens noch schwedischer Nationaltrainer, tritt in große Fußstapfen. Ich traue es ihm zu, diese auszufüllen. Mit der schwedischen Nationalmannschaft spielt er einen wirklich attraktiven Handball. Bei den Löwen hat er mit Appelgren, Palicka, Nielsen, Tollbring und ab 2020 dann auch noch Albin Lagergren gleich fünf Spieler, die er sehr gut kennt. Von Andrésson erhoffe ich mir einiges. Mehr dazu später.
Wünsche an die Neuen
Die Neuen werden sich hoffentlich schnell eingewöhnen. Von Uns Uwe erhoffe ich mir, dass er die gewachsenen Strukturen nicht komplett auf den Kopf stellt. Tim Ganz findet hoffentlich schnell Anschluss, damit er Patrick Groetzki vielleicht doch ab und an entlasten kann. Niklas Kirkeløkke darf gerne einige Hämmer aus der 2. Reihe ins Tor wuchten, Philipp Ahouansou seine Entwicklung behutsam fortsetzen und der Trainer …
Kristján Andrésson hat hoffentlich einige neue, frische Ideen. Nikolaj Jacobsen war sehr kreativ, was Abwehr und Angriff anging. Doch in letzter Zeit fehlte dem Spiel der Löwen oft das Überraschungsmoment. In der Abwehr hoffe ich, dass eine zum aktuellen Personal passende Spielweise gefunden wird. Am besten natürlich sollten es zwei, noch besser drei Abwehrformationen sein, die die Löwen gewinnbringend einsetzen können. Im Angriff brauchen die Löwen dringend neue Ideen, neue Konzepte. Insbesondere mit Fäth und Kirkeløkke haben die Löwen Waffen, die eingesetzt werden müssen. Dieses Element mit Distanzschützen haben die Löwen in den letzten Jahren nicht oft genutzt, weil sie es nicht mussten. Jetzt aber würde diese Möglichkeit, zu Torabschlüssen zu kommen, die Optionen im Angriff erweitern. Und davon könnte dann wieder Jannik Kohlbacher profitieren.
Entlastung für Schmid ist das Gebot der Stunde
Andy Schmid ist immer noch ein genialer Handballer. Damit er aber bis zum Ende seines Vertrages im Jahr 2022 Topleistungen bringen kann braucht er dringend Entlastung. Hier ist der Trainer gefordert, ihm die Pausen zu geben und eine Alternative für ihn zu entwickeln. Die Neuen des Jahres 2019 sehe ich da nicht so weit vorne, sondern eher Steffen Fäth und ab 2020 dann Romain Lagarde. Oder kommt letzterer bereits diesen Sommer? Gerüchte, dass sich die Löwen um einen vorzeitigen Wechsel bemühen, kamen zuletzt auf. Es wäre ein Traum, wenn das klappen würde!
Vermisst hier jemand den Namen Mads Mensah Larsen? Ich habe sein Trikot, was als Zeichen meiner Wertschätzung für ihn verstanden werden darf. Ich würde mir wünschen, er würde sein Potenzial endlich mal dauerhaft (!) ausschöpfen. Eine der spannendsten Fragen dürfte sein, wie er ohne seinen fast väterlichen Mentor und Förderer Nikolaj Jacobsen zurecht kommt. Sein Vertrag läuft 2020 aus, und ob mit Mensah verlängert wird bleibt abzuwarten. Gleiches gilt für Gedéon Guardiola. Auch wenn ich ihn sehr mag bin ich mir keineswegs sicher, dass sein Vertrag nochmals verlängert wird. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob das überhaupt gut wäre. Mal unter uns: Falls 2020 ein jüngerer Abwehrspieler mit guter Perspektive zu haben sein sollte wäre es aus meiner Sicht fahrlässig, wenn die Löwen den Umbruch nicht auch auf dieser wichtigen Position fortführen würden.
Und die Prognose für die Saison 2019/20?
Die fällt schwer. Viel wird auf den neuen Trainer ankommen, darauf, wie sich das Mannschaftsgefüge mit dem Rückkehrer Uwe Gensheimer entwickelt, wie der Saisonstart ausfällt und wie die Löwen mit Rückschlägen umgehen. Ja, ich weiß, das ist nun alles nicht neu. Die Neuen müssen aber halt wie immer erst mal rein finden. Angesichts der Anstrengungen der Konkurrenz wird es nicht einfach, wieder ganz oben mitzuspielen. Wenn am Ende wie dieses Jahr Platz 4 steht, so wäre das für mich angesichts des fortschreitenden Umbruchs eine gute Platzierung.
Weniger sollte es dann aber bitte auch nicht sein …