Es ist ja nicht so, dass es nicht schon Hinweise darauf gab, dass die EHF Champions League ab 2020 reformiert würde. Und das eine oder andere war bereits durchgesickert. Jedenfalls bin ich der Meinung, schon mal was dazu gelesen zu haben. Nun aber gibt es einen Artikel in der neusten Ausgabe der Handballwoche, in der EHF Präsident Michael Wiederer sich u.a. über angedachte Änderungen in Sachen Champions League auslässt. Und da kommen goldene Zeiten auf uns zu – oder auch nicht. Kommt wohl auf die Sichtweise an.
Da 2020 sowohl die aktuellen Fernsehverträge als auch die Verträge mit dem Namenssponsor und der Lanxess Arena auslaufen gibt es viel zu verhandeln. Diese Situation will die EHF allem Anschein nach nutzen, das Premium-Produkt Champions League neu zu gestalten. Die Eckdaten dieses Plans:
- In der EHF Champions League spielen 36 bis 40 Mannschaften (aktuell: 28)
- Es wird in zwei Klassen gespielt, wie bisher auch
- In der 1. Liga sind 12 Mannschaften vorgesehen, später bis zu 16 (aktuell: 16)
- In der 2. Liga sind 24 Mannschaften vorgesehen (aktuell: 12)
- Die 1. Liga spielt in einer (!) Gruppe (aktuell: 2 Gruppen)
- Die 2. Liga spielt in vier Gruppen mit jeweils 6 Mannschaften (aktuell: 2 Gruppen mit je 6 Mannschaften)
- Es wird die Möglichkeit des Auf- und Abstiegs geben (aktuell: kein “sportlicher” Aufstieg im herkömmlichen Sinn möglich)
Nun, das musste ich ein wenig sacken lassen. Dass es in der 2. Liga doppelt so viele Mannschaften geben soll wie bisher – damit kann ich noch leben. Wobei hier natürlich noch unklar ist, welche Ländern wie viele Plätze bekommen. Dass in der 1. Liga nur noch 12 Mannschaften sein sollen, später dann bis zu 16 – OK, alles wie bisher. Aber – und das ist ein großes ABER für mich: alle 12 bis 16 Mannschaften in EINER Gruppe? Soll wohl heißen, dass jeder ein Heim- und ein Auswärtsspiel gegen jede andere Mannschaft in der Gruppe haben wird. Macht nach Adam Riese also 22 (!) Gruppenspiele für jede Mannschaft, bzw. 30 (!!) Gruppenspiele, wenn in der 1. Liga, wie angedacht, dann mal 16 Mannschaften antreten. Goldene Zeiten?
Auf das Final 4 in Köln – oder wo auch immer – wird die EHF sicher nicht verzichten wollen. Also müssen die vier Teilnehmer irgendwie ermittelt werden. Wie? Keine Ahnung! Man könnte die Mannschaften auf den Plätzen 1 bis 4 der Tabelle nach dem letzten Spieltag der Gruppenphase nehmen. Das würde jedoch recht bald zu Langeweile führen, denn einige Teams werden spätestens nach dem zweiten Drittel der Saison keine Chance auf die ersten vier Plätze haben. OK, man könnte ja absteigen – vielleicht die letzten beiden der Tabelle? – aber ob das wirklich für Spannung sorgt? Wie ich die EHF kenne wird es aber anders kommen. Mein Tipp: In einem Viertelfinale spielt Platz 1 gegen Platz 8, Platz 2 gegen Platz 7, Platz 3 gegen Platz 6 und Platz 4 gegen Platz 5. Inklusive Final 4 käme dann der Champions League Sieger auf 26 Spiele, bzw. 34, wenn 16 Mannschaften in der Gruppe sind. Goldene Zeiten?
Nach diesem Modell hätten aber Teams in den vier Gruppen der 2. Liga keine Chance, in der laufenden Saison gegen eines der Topteams aus Gruppe 1 zu spielen. Das könnte man zwar reinmischen, was aber nur zu noch mehr Spielen führen würde. Das eigentliche Problem liegt meiner Meinung nach aber woanders. Wie sollen die Mannschaften der DKB HBL die zusätzlichen Spiele im ohnehin schon engen Terminplan unter bringen? Was machen die Teams, die in der SEHA-Liga spielen? Wenn es sowas wie Auf- und Abstieg geben soll, hat dann z.B. ein deutsches Team, das zuvor nicht in der Champions League war, nun die Berechtigung, mitzuspielen? Wenn ja, für wen? Oder ist das gar der Schritt hin zu einer Europa-Liga, bei der verschiedene Teams gar nicht mehr in ihren nationalen Wettbewerben antreten oder vielleicht nur mit einer B-Mannschaft? Würde man dadurch die Tür zur EHF Champions League für andere Mannschaften zuschlagen? Fragen, auf die es – zumindest meines Wissens nach – noch keine Antworten gibt. Goldene Zeiten?
Klar: Eine europäische Liga, die in der eben geschilderten Art und Weise zusammengestellt ist, könnte für Teams außerhalb der DKB HBL durchaus attraktiv sein. Mehr Spiele auf hohem Niveau, Planbarkeit, Sicherheit, zusätzliche Einnahmen wegen erhöhter Attraktivität des Wettbewerbs, all das spricht dafür, die Reform tatsächlich durch zu führen. Nicht zuletzt dürfte dieses Produkt besser zu vermarkten sein, zumindest international. Schauen wir über den deutschen Tellerrand hinaus könnte das durchaus eine positive Entscheidung sein. Zumindest für die Mannschaften, die an der Champions League teilnehmen. Das wäre letztendlich mehr als bisher, was auch dazu führen könnte, dass Mannschaften aus mehr Ländern in der Champions League spielen als bisher. Dies könnte natürlich positive Effekte für den Handball in den betreffenden Ländern haben. Doch selbst da habe ich ein wenig Zweifel. Ist es z.B. für die spanische Liga wirklich so toll, wenn Barcelona in der Champions League mehr Spiele auf hohem Niveau hat? Wird eine nationale Meisterschaft dadurch nicht entwertet? Ist der Effekt der Teilnahme eines Vereins an der Champions League wirklich so stark und so dauerhaft, dass er die negativen Effekte überwiegt? Goldene Zeiten?
Für einige Teams dürfte die angedachte Reform der EHF Champions League durchaus Vorteile haben. Mit kommt es aber so vor, als wenn hier für diese wenigen Teams zusätzliche Vorteile geschaffen werden sollen, ohne die negativen Effekte für viele anderen Teams wirklich ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen. Bevor dieser Plan umgesetzt wird hoffe ich sehr, dass es noch intensive Diskussionen gibt und dass die EHF berechtigte Einwände nicht einfach abtut. Euro-Zeichen in den Augen dürfen nicht den Blick verstellen auf die Gesamtsituation. Ich bin sehr gespannt, wann die EHF ihre Pläne für die Champions League konkretisieren wird, und wie die Champions League dann genau aussehen soll. Die offenen Fragen (s.o.) werden dann hoffentlich beantwortet; genau wie andere Fragen, die im Lauf der Zeit sicher noch kommen werden.
Ach, eins noch zum Schluss: Nicht nur bei der EHF, sondern auch und vor allem bei den Vereinen hoffe ich, dass man sich eine solche Reform gut überlegt und gegebenenfalls dagegen opponiert. Ein einfaches Durchwinken, weil u.U. deutlich mehr Geld zu verdienen ist, muss auf Dauer nicht die beste Wahl sein. Vielleicht entpuppt sich das Gold in den “Goldenen Zeiten” am Schluss als Narrengold.