Ich bin spät dran, ich weiß, aber ich wollte die Saison erst komplett vorbei sein lassen, ehe ich mich dem alten und neuen Deutschen Meister widme. Junge, Junge, was war das für eine Saison!
Soll ich, will ich, nochmal auf alle Einzelheiten der Saison eingehen? Nein, eher nicht; das findet sich ja in jedem Saisonrückblick, egal, ob bei der DKB HBL oder bei den Löwen selbst. Nee, mir geht es heute mehr um das, wie das in mir aussah, als die Meisterschaft klar gemacht wurde.
Gestartet als Außenseiter, bei dem ganz viel passen muss, damit er vielleicht wieder ins Titelrennen eingreifen kann. Der THW Kiel wurde, trotz eines Umbruchs, als Titelkandidat gehandelt, besonders aber die SG Flensburg-Handewitt. Die war bereits in der Saison 2015/16 der schärfste Kontrahent der Löwen gewesen und galt wegen des größeren Kaders und der Eingespieltheit als Titelkandidat Nr. 1. Erstens kommt es anders, und zweitens …
Letztes Jahr war ich mit meinem Sohn in Lübbecke, als die Löwen ihr Meisterstück machten. Dieses Jahr waren wir beide nicht in der Halle, als die Löwen in der zweiten Halbzeit den THW Kiel an die Wand spielten. Ich konnte das nur am TV verfolgen, was sich in der SAP Arena abspielte. Bei mehreren Gesprächen, u.a. beim Champions League Final 4 in Köln mit einigen THW-Fans, habe ich es bereits gesagt. Für mich haben die Löwen in der zweiten Halbzeit genau so gespielt, wie es der THW noch vor wenigen Jahren – und dieses Jahr in einigen wenigen Spielen – gezeigt hat. Dieses manchmal fast an Arroganz grenzende Selbstvertrauen. Diese unbedingte Gewinner-Mentalität. Diese “Mir egal, was du machst, wir sind besser und hauen euch weg”-Attitüde. Diese supercoole Abgezocktheit. Dieser gnadenlose, bedingungslose Hunger nach Erfolg. All das konnte ich am TV spüren, es sprang einen förmlich an, es drängte sich auf.
Dazu kam dann noch eine Halle, die stimmungstechnisch am Siedepunkt war. Ja, ich weiß: bis in der Mannheimer SAP Arena ein wirklich fachkundiges Handballpublikum zu finden ist, mit dem richtigen Gespür dafür, wann man aufsteht und seinem Team klatschend den Rücken stärkt, wird es noch zeit brauchen. Vielleicht sogar noch viele Jahre, denn in Mannheim konnte noch keine Tradition wachsen, wie man sie in Kiel, Flensburg, Magdeburg, Göppingen oder bei anderen traditionsreichen Vereinen findet. Aber kein Handballpublikum der Welt kam mit Tradition auf die Welt. Das muss sich alles entwickeln, das wird sich alles entwickeln. Die Löwen-Fans in der SAP Arena sind auf dem Weg, und sie werden den Weg weiter gehen.
Dann die letzten Sekunden. Ich saß nicht mehr vor dem TV, sondern ich stand im Hotel vor meinem TV und wäre am liebsten hinein und hindurch in die SAP Arena gekrochen. Die letzten Sekunden habe ich nur noch durch einen Schleier gesehen, denn gegen meine feuchten Augen konnte ich in dem Moment nichts machen. Muss ein Mückenschwarm oder ein Luftzug gewesen sein …
Von den Interviews und von der improvisierten Feier hinterher habe ich an dem Tag nicht viel mitbekommen. Erst am nächsten Tag habe ich mir all die Interviews, all die Eindrücke aus der Halle auf YouTube angeschaut – kopfschüttelnd, ungläubig, fassungslos. Wie oft ich in der Zeit “Die Löwen sind Meister. Wir sind schon wieder Meister.” vor mich hingesagt habe – ich weiß es nicht.
Mittlerweile kann ich es schon viel eher fassen. Das Spiel gegen Melsungen war ein toller Abschluss. Ausverkaufte Hütte, phantastische Stimmung in der Halle, ein Gegner, der nicht klein beigab, aber auch nicht brutal dagegen hielt, ein 33:28-Sieg zum Saisonabschluss. Danach eine stimmungsvolle Meisterschaftsfeier in der Halle samt einer äußerst emotionalen Verabschiedung von vier Spielern – besonders bei Steini und natürlich ganz besonders bei Kim Ekdahl du Rietz bekamen die Tränendrüsen nicht weniger Fans viel Arbeit. Alles gut organisiert , aber ohne überflüssige Choreographie. Da war manches vielleicht nicht ganz perfekt, aber hey! Macht das die Feier nicht erst richtig sympathisch? Wer will schon eine perfekte, von vorne bis hinten minutiös geplante Feier, die durchgestylt ist bis zum Abwinken? Wir sind doch nicht Bayern München … Einziges Manko: letztes Jahr in Lübbecke war man noch näher an den Spielern dran. Dafür war die Sache mit dem Meisterschaftsring und dessen Übergabe durch die Kinder der Spieler und Trainer eine ganz starke Sache! Wer auch immer diese großartige Idee auch hatte – TOP!
Wunderbar übrigens auch die kleine, aber feine Meisterschafts-Saisonabschluss-Feier am Sonntag auf dem Münzplatz. Keine nicht zu überblickende mehrtausendköpfige Fan-Schar, aber doch einige Hundertschaften hatten es nach Mannheim geschafft. Übrigens auch hier: sehr coole Idee, die Spieler, passend zu “Monnem Bike” an diesem Wochenende, mit dem Bierrad anfahren zu lassen. Herrlich! Und auf der Bühne gab es neben fetziger Musik viel Spaß und nur nette Worte. Na ja, fast nur nette Worte. Ich sage nur: “Mhm …” (A.P.). Wer dabei war weiß, was ich meine.
Und nun sind sie weg, die Spieler. Im wohlverdienten Urlaub, oder bei ihren Nationalmannschaften, oder im (Handball-)Ruhestand. Genießt die Zeit! Die nächste Runde kommt bestimmt.