Jeder Fan der Rhein-Neckar Löwen weiß, was heute vor einem Jahr passierte. Mit einem 35:23 Auswärtssieg in Lübbecke wurde die erste Deutsche Meisterschaft besiegelt und entsprechend gefeiert. Ich finde, das ist ein guter Anlass, um nochmal diesen Tag Revue passieren zu lassen. Weil ich nicht weiß, wie der Tag für euch verlief, gibt es halt nur meine Geschichte.
Ich war ja glücklich, überhaupt noch Karten bekommen zu haben. Ob ich an dem Tag fahren kann stand länger nicht fest. Schließlich war es Deddes7, der mir noch zwei Stehplatzkarten in die Hand drückte. Dafür stehe ich ewig in seiner Schuld! Zwei Karten? Gut, ich bin nicht der gertenschlanke Typ, aber zwei Karten für mich brauchte ich nun doch nicht. Mein Sohn wollte aber mit, und dem konnte ich mich nicht verweigern. Dann hieß es also in den frühen Morgenstunden des 05.06.2016: Auf nach Lübbecke!
Früh hieß in diesem Fall so ca. 07:30 Uhr. Vor uns lagen rund 450 km, zumeist über die Autobahn. Die Fahrt verlief dann auch richtig gut. Nicht allzu viel Verkehr, das Wetter wurde immer besser, die Stimmung war gut, und die Zuversicht, mit dem Meistertitel nach Hause zu kommen, war auch vorhanden. Ich gebe es allerdings zu: diesen allerletzten klitzekleinen Restzweifel, den konnte ich nicht ganz verdrängen. Zu präsent war noch das letzte Saisonspiel zwei Jahre zuvor, als ich in Gummersbach dabei war und die Löwen trotz eines Sieges die Meisterschaft wegen zweier mickriger Törchen aus der Hand gaben. Diese Bilder der Spieler und der anderen mitgereisten rund 1500 Fans nach dem Schlusspfiff hatten sich eingebrannt, schmerzten immer noch. Aber das sollte Schnee von gestern gewesen sein. Neuer Anlauf zur ersten Meisterschaft!
Kurz vor Lübbecke fuhren wir noch schnell eine Tankstelle an, denn wir wollten ja nach dem Spiel noch nach Mannheim, wo im Friedrichspark die Meisterschaftsfeier statt finden sollte. Da lief vorher ein Public Viewing des Spiels mit Party und allem Drumherum, und später sollte dann der krönende Abschluss erfolgen. Natürlich mit der Mannschaft, die per Flugzeug nach Mannheim wollte. Verrückte Idee, dort auch noch hin zu wollen? Also ICH finde, es war keine verrückte, sondern eine SEHR gute Idee! Dazu später mehr. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, richtig, an der Tankstelle.
Nach dem Auftanken ging es weiter, bis uns eine Baustelle den direkten Weg nach Lübbecke verwehrte. Was macht man als Ortsunkundiger? Man fährt den Umleitungsschildern hinterher. Was macht man, wenn man ursprünglich geradeaus fahren wollte, die Umleitung einen zuerst nach links schickt und dann nochmals nach links? Richtig, man pfeift auf die Umleitungsschilder, verlässt sich auf seinen Orientierungssinn und biegt rechts ab, denn in diese Richtung wollte man ja ursprünglich. OK, rechts abgebogen, weiter gefahren, alles gut, bis wir plötzlich wieder auf einer Autobahn waren. Da begann ich, ein wenig zu grübeln. Diese Autobahn stand eigentlich nicht auf dem Plan. Egal, weiter! Irgendwann waren wir dann auch wirklich auf dem Weg nach Lübbecke und kamen dort auch an. Fragt mich bitte nicht, wie. Bis heute kann ich nicht nachvollziehen, wie wir eigentlich gefahren sind. Ist ja auch egal: wir kamen an!
Und das ziemlich früh. Noch lange Zeit bis zum Anpfiff und wir hatten Hunger. Nach ca. 450 km kommt es auf zwei, drei Kilometer mehr auch nicht an, und so folgten wir dem großen, goldenen “M” und stärkten uns. Strahlend blauer Himmel und hohe Temperaturen trugen dazu bei, dass unsere Laune richtig gut war. Eine gute Gelegenheit, kurz mal eben Kontakt mit Zuhause aufnehmen. Da ist die bessere Hälfte dann etwas verwundert wegen unseres Wetterberichts, denn zuhause sah es ganz anders aus. Regen, starker Wind, total ungemütliches Wetter, Gewitter im Anzug. Holladiewaldfee! Bei uns in Lübbecke dagegen war das Wetter ja wirklich meisterlich.
Nun wurde es Zeit, sich Richtung Halle zu begeben. Jede Menge Parkplätze vor der Halle, keine Parkgebühr (!) – prima! An dem Tag wurde übrigens das Gelbe Meer aus dem Chinesischen Meer nach Lübbecke verlegt, denn auf dem Parkplatz war praktisch nur Gelb zu sehen. Unfassbar, und das weit vor Spielbeginn! Überwältigend! Ein erstes kurzes Gespräch mit einem einheimischen Fan zeigte schon, dass nicht wenige in Lübbecke sehr gut mit einem Deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen leben konnten.
Was für ein Getöse, als der Mannschaftsbus der Löwen auf den Parkplatz fuhr! Jeder Spieler, jeder Betreuer wurde mit lautstarken Jubel, aufmunternden Worten und Lärm aus etlichen Tröten empfangen und in die Halle geleitet. Eine sensationelle Stimmung bereits auf dem Parkplatz, die den Spielern und Verantwortlichen der Löwen allesamt ein Lachen ins Gesicht zauberte! Nachdem auch der Letzte aus dem Bus heraus und in der Halle verschwunden war wurde es Zeit, selber in die Halle zu gehen. Also: nix wie rein!
Die Kreissporthalle Lübbecke ist nicht die SAP Arena. Das war von vorneherein klar, aber das macht auch nichts. Ich mag solche Hallen. Da ist es eng, man ist nahe am Geschehen dran, man (er)lebt unmittelbarer mit, was da unten auf der Platte vor sich geht. Und an diesem speziellen Sonntag im Juni 2016 sah ich Gelb! Gelb, wohin das Auge reichte. Gelb rund um mich herum, Gelb auf der anderen Tribünenseite. Ich musste mich mal kneifen, um das glauben zu können. Überwältigend! Ach so: zu dem Zeitpunkt waren vielleicht 300-500 Menschen in der Halle. Später wurde das – ihr könnt es euch nicht vorstellen, wenn ihr nicht dabei wart!
Unseren Stehplatz nahmen wir oben, hinter dem eigentlichen Gästeblock, ein. Eigentlicher Gästeblock, weil an dem Tag die Kreissporthalle nahezu ein einziger Gästeblock war. In den Zeitungen war die Rede von 2000 Löwenfans unter den 3000 Zuschauern. Ich behaupte, das waren mehr als 2000. Unglaublich, was für eine Völkerwanderung an dem Tag ablief! Die proppenvolle Halle sorgte dafür, dass die Temperaturen stetig nach oben gingen. Wir standen ja unter dem Dach, und mit “unter dem Dach” meine ich auch tatsächlich “unter dem Dach”, denn das war nicht weit über uns. Angesichts von über 30° draußen und der vielen Löwenfans um uns herum, die allesamt heiß auf die Meisterschaft waren, ist es kein Wunder, dass wir schon vor Spielbeginn durchgeschwitzt waren.
Als die Spieler herein kamen, um sich aufzuwärmen, wurden sie bereits frenetisch empfangen. Pausenlos wurde gesungen, Sprechchöre gerufen, Lärm gemacht und/oder geklatscht. Die Stimmung war bereits zu diesem Zeitpunkt überwältigend. Und in mir wurden die letzten Restzweifel immer kleiner.
Kennt ihr 7Meter – Das offizielle Magazin der DKB Handball-Bundesliga auf youtube? Moderatorin Desiree Krause war natürlich in Lübbecke vor Ort, und ich hatte kurz Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. War ein sehr nettes Gespräch. Man kann ihr übrigens auf Twitter folgen.
Zurück zu Lück – nee, anders. Zurück zu unserem Besuch in der Kreissporthalle Lübbecke und zum Spiel der Löwen. Fragt mich bitte nicht, wie das Spiel genau ablief; das bekomme ich auswendig nicht mehr hin. Leider – oder verständlicherweise? – gibt es auf der Website der Löwen keinen Spielbericht dazu. Was ich noch weiß: am Fang war das keine klare Sache, und Lübbecke konnte ganz passabel mithalten. Dann aber steigerten die Löwen die Intensität, v.a. in der Abwehr, und die Angriffe wurden konsequenter ausgespielt und abgeschlossen. Dann, kurz vor Schluss, als alles rund herum schon nur noch Jubel und Feiern war, verwirft Uwe Gensheimer in seinem letzten Spiel für die Rhein-Neckar Löwen einen Siebenmeter! Geht’s noch? Aber dann, Sekunden vor Schluss, wirft Gensheimer nochmals auf das Tor. Aus grob geschätzt 12-13 Metern Entfernung. Einfach mal so. Der Ball hatte allerdings mächtig Spin, überraschte den Torwart total und landete zum 35:23 für die Löwen im Netz.
Schlusspfiff.
Jubel. Ausrasten. Leere im Kopf. Erleichterung. Glückseligkeit. Freudentränen. Stimme weg. Ungläubiges Kopschütteln. Blicke zur Anzeigetafel. Realisieren, dass es kein Traum ist. Realisieren, dass das traumhaft ist. Deutscher Meister. Die Rhein-Neckar Löwen. Deutscher Meister.
Meine Güte, ich habe jetzt noch/wieder Pipi in den Augen, wenn ich das hier schreibe. Einer der unglaublichsten, schönsten, glückseligsten Momente in meinem Leben! Danke, liebe Löwen, dass ihr mir diesen Moment beschert habt!
Damit war der Tag natürlich noch lange nicht beendet. Wie es für mich/uns weiter ging, das gibt es morgen zu lesen.
Ein Hinweis zum Schluss: Dass die Löwen schon wieder Meister sind, zwei Spieltage vor Ende der Saison, konnte ich nicht ahnen, als ich diesen Beitrag schrieb. Und beruflich bedingt bleibt mir derzeit wenig Zeit, tagesaktuell zu schreiben. Mein Senf zur erneuten Meisterschaft kommt aber noch. Versprochen!