Es war im Ergebnis wie (fast) immer: die Löwen fahren nach Hamburg zum DHB Pokal Final 4 und nach einem Spiel ist Schluss. Wieder kein Titel in Hamburg, auch im zehnten Anlauf nicht, und wieder gegen Flensburg raus. Aber dieses Mal war es anders in Hamburg. Es war ein irgendwie seltsames Spiel. Zumindest war das mein Eindruck beim Anschauen im TV, und dieser Eindruck ist heute nicht anders.
Was die Sport1-Kommentator Markus Götz und Experte Stefan Kretzschmar mehrfach ansprachen war das eher emotionslose Auftreten der Löwen. Selbst Nikolaj Jacobsen war während des Spiels relativ ruhig – soweit man das am TV beurteilen konnte – und die Spieler selbst feierten ihre Tore nur selten etwas euphorischer, waren seltener sichtbar verärgert, wenn etwas nicht klappte. Warum? Gute Frage! Vielleicht war das Absicht? Ja nicht zu emotional ran gehen, alle negativen Gefühle der letzten neun Auftritte in Hamburg ausschalten. Wenn das tatsächlich Absicht war, dann war das vielleicht nicht die beste Taktik. OK, hinterher ist man immer schlauer, aber bei einem solchen Event wie dem DHB Pokal Final 4 so extrem cool und abgeklärt zu agieren nimmt einem auch Emotionen weg, die einen in engen Situationen über Schwierigkeiten hinweg tragen können.
Oder gab es vielleicht keine Alternative zur unterkühlten Taktik? Die Spieler wirkten vor allem in der zweiten Halbzeit komplett müde und ausgelaugt. Nicht nur, was den körperlichen Aspekt angeht, sondern auch, was den Kopf angeht. Palicka verletzt und nicht einsatzfähig, Schmid wegen einer Bauchmuskelverletzung angeschlagen, Reinkind weit von seiner Bestform entfernt, Mensah auch nicht da, wo er besonders in der Nationalmannschaft schon öfter mal war, und Taleski braucht noch viel Zeit, bis er einen wesentlichen Beitrag zum Spiel der Löwen leisten kann.
Ganz im Gegensatz dazu die SG Flensburg-Handewitt. In voller Mannschaftsstärke angetreten, mit der Möglichkeit, zu wechseln, und das noch dazu ohne großen Qualitätsverlust. Wenn man sich dann noch den THW Kiel anschaut, der ebenfalls einen recht breiten Kader hat, noch dazu mit vielen jungen, hochtalentierten Spielern, dann sieht das für die Löwen nicht so gut aus, was die Zukunft angeht. Ich bleibe dabei, dass die Löwen ohne einen breiteren, qualitativ besseren Kader, in der Zukunft große Probleme haben wird, Titel zu holen. Der SC Magdeburg scheint sich gut aufzustellen, die Füchse Berlin darf man nicht außer acht lassen, Hannover-Burgdorf rüstet auf, und dass Melsungen in den nächsten Jahren ähnlich schwach spielt wie diese Saison darf angezweifelt werden. Die DKB HBL könnte in Zukunft noch ausgeglichener werden, was noch mehr härtere Spiele bedeuten würde. Keine rosigen Aussichten.
Eigentlich. Die Löwen haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie in der Lage sind, gute Ergänzungen zu finden. Spieler, die in die Mannschaft passen, nicht nur Spieler, die toll spielen. Klappt das auch weiterhin – und die Hoffnung habe ich durchaus – sind die Löwen zumindest mit dabei. Mit einem weiteren Titel wird es aber nur klappen, wenn die Löwen nicht wirklich zu der “Loser-Truppe” werden, von der Kim Ekdahl du Rietz sprach. Ich kann Kim da allerdings nicht ganz zustimmen. Die Löwen haben in der letzten Saison bewiesen, dass sie, wenn sie von Verletzungen verschont bleiben, auch schwierige Situationen meistern können. Was aber noch fehlt, und das habe ich durchaus schon öfter angesprochen, ist die schier endlose, unbedingte Gier nach weiteren Tore, nach besseren Platzierungen, nach weiteren Titeln.
Diese Gier kommt aber nicht von alleine. Es braucht die richtigen Spieler, die richtigen Trainer, das richtige Umfeld. Und es braucht Erfolge in kritischen Situationen. Ein Teufelskreis? Ja, schon irgendwie. Ein breiterer Kader könnte dabei helfen, zu diesem Punkt zu kommen, da die Belastung verteilt werden kann. Was es aber meiner Meinung nach noch viel mehr braucht ist ein Erfolgserlebnis in einer Drucksituation wie z.B. gestern in Hamburg. Ein Titelgewinn in Hamburg, davon bin ich überzeugt, würde einen dicken Knoten durchschlagen. Es würde den Spielern, den Betreuern, dem Verein und dem gesamten Umfeld zeigen, dass man auch in einer solchen “Jetzt oder gar nicht”-Situation bestehen kann.
Ich habe leider kein Patentrezept, wie die Löwen dieses unterschwellig sicher vorhandene Gefühl “immer wieder in Hamburg klappt nichts” aus den Köpfen bringen. Wenn ich eins hätte, ich würde es den Löwen sofort verraten. Kostenlos! Dann würde es auch mal in Hamburg klappen. Wie auch immer: die Löwen werden Löwenherz zeigen. Sie werden daran arbeiten, es in Hamburg zu schaffen. Die Löwen werden es nächste Saison wieder versuchen. Und viele, viele Fans der Löwen werden weiterhin die Daumen drücken, mitleiden, mitverzweifeln, mithoffen. Und irgendwann auch mal mitjubeln. Irgendwann. Dann wird Hamburg wirklich eine Reise (zum DHB Pokal Final 4) wert sein.